Posse mit Poltergeist
Die Entlassung von Markus Babbel verdeutlicht zweierlei: Der FC Luzern trieft vor Provinzialität – und sein impulsiver Investor wird immer mehr zum Problem.

Hanspeter Latour hat uns einst den «Gränni» geschenkt. Legendär war der «Fussballer Moldovan» vor genau 20 Jahren in der TV-Sendung «Risiko». Von Carlos Varela stammt «Heb de Schlitte». Und ganz besonders weit unter die Gürtellinie zielte Bulat Tschagajew: «Ich werde euch alle töten», hatte der kurzzeitige Xamax-Präsident seinen Spielern in der Halbzeitpause eines Cupfinals gedroht. Nicht alle gleich relevant, nicht alle gleich gehaltvoll, aber alles: legendäre Zitate im Schweizer Fussball.
Der neuste Spruch in dieser Reihe stammt von Bernhard Alpstaeg. Der impulsive Investor des FC Luzern hatte Markus Babbel im «Blick» einen «Birchermüesli-Trainer» genannt – «ein wenig so und ein wenig anders». Dies, nachdem der Deutsche beim Trainingsauftakt tags zuvor gegenüber verschiedenen Medien der Unlust freien Lauf gelassen hatte, die Mannschaft über das Ende seines Vertrags im kommenden Sommer hinaus trainieren zu wollen: «Mein Weg hier ist vorbei.»
Auf die Reaktion seiner direkten Vorgesetzten brauchte Babbel nicht lange zu warten: Gestern Freitag war er seinen Job los, freigestellt, zusammen mit seinem Assistenten Patrick Rahmen. «Das Vertrauen ist weg», begründete Präsident Philipp Studhalter die nicht ganz überraschende Massnahme. «Man darf Kritik durchaus anbringen, aber doch lieber intern als extern.»
Die Zuschauer laufen davon
Der 45-jährige Bayer hatte sich öffentlich über mangelnde Unterstützung im Club beschwert: «Bin ich denn für alles allein verantwortlich?» Oder über fehlende Entscheidungsfreudigkeit: «Die Rumeierei braucht keiner.» Über Meinungsverschiedenheiten: «Auf diesen Kindergarten lasse ich mich nicht mehr ein.» Und überhaupt die Strategie: «Dieser Verein ist im Sparmodus. Es ist nervig, etwas machen zu müssen, aber der Verein entscheidet anders.» Unter dem vielerorts stark kritisierten CEO Marcel Kälin geht der FCL in eine ungewisse Zukunft. Dem Tabellenneunten steht eine wegweisende Rückrunde bevor – während ihm seit Jahren die Zuschauer davonlaufen.
Man konnte nur darüber spekulieren, ob Babbel seine Entlassung mit diesen Aussagen angesichts der trostlosen Aussichten in Luzern nicht schlicht provozieren wollte: Als der Verein die Trennung bekannt gibt, ist er genauso wenig vor Ort wie Rahmen. Der bisherige U-21-Trainer Gerardo Seoane hat interimistisch die Leitung übernommen. Er könnte bis kommenden Freitag auch offiziell neuer Trainer werden, dann fliegt die Mannschaft ins Trainingslager. Für Sportchef Remo Meyer ist ebenso eine externe oder ausländische Lösung denkbar. Auch Meyer zeigte sich von Babbels Vorpreschen «überrascht und enttäuscht».
Für Investor Alpstaeg dagegen gilt die Regel nicht, dass Interna doch besser intern bleiben. Der schwerreiche Patron des Stadionsponsors Swisspor darf auch extern poltern, wie ihm beliebt. Während er für die FCL-Geschäftsstelle laut eigener Aussage derzeit «schwierig zu erreichen ist», ist er für die verschiedensten Medien auch während eines Aufenthalts in New York problemlos zu sprechen. «Ohne Babbel wird alles besser», orakelt er in «20 Minuten», in der «Luzerner Zeitung» bilanziert er, der Trainer sei nun drei Jahre lang erfolglos gewesen. Nur zur Erinnerung: Unter Babbel waren die Luzerner zweimal Fünfter und einmal Dritter geworden.
Populismus in Reinkultur
Nur läuft das schon seit geraumer Zeit so beim FC Luzern. Der Club arbeitet mal besser, mal schlechter, und wenn es im Hintergrund Hauptaktionär Alpstaeg zu wohl wird, haut er einen raus. Auf der Geschäftsstelle ist der Mann allgegenwärtig, obschon er gar nicht da ist. «Unsere Spielbuben sind zu verwöhnt», sagte er auch schon. «Ich würde sie zu Arbeit im Kohlebergwerk verknurren.» Populismus in Reinkultur, der jeden Fortschritt verhindert. Der FCL trieft vor Provinzialität. Wer verübelt Babbel da die Flucht?
Der Präsident ist sogar dankbar
In der Vergangenheit hatten Clubverantwortliche versucht, mässigend auf Alpstaeg einzuwirken. Ruedi Stäger zum Beispiel, bis 2016 Präsident. Er musste gehen, offiziell wegen einer Neustrukturierung. Verwaltungsratspräsident Studhalter wurde sein Nachfolger und amtet seither in einer Doppelfunktion. Und er sagt, angesprochen auf die Birchermüesli-Polterei des Geldgebers: «Ich bin sogar dankbar dafür, denn inhaltlich ist Alpstaeg mit dem Verwaltungsrat konform.» Den Wortlaut wolle er nicht kommentieren, betonte Studhalter mehrfach.
Auch wenn er auf die entsprechende Nachfrage nicht einging: Uneinigkeit mit Alpstaeg wird sich Studhalter nicht leisten wollen. Der 72-Jährige verlangte schon die «knallharte Einhaltung des Budgets, ansonsten ziehe ich den Stecker». Eine hübsche Drohkulisse drei Jahre vor dem 120-Jahr-Jubiläum des Vereins – und dem Auslaufen des Stadionvertrags mit Alpstaegs Swisspor.
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