Warum die U-21 viel mehr Spass macht als die A-Nati
Während die Grossen in der EM-Qualifikation mit dem Rücken zur Wand stehen, greifen die Schweizer Fussball-Junioren an den U-21-Titelkämpfen nach der kontinentalen Krone. Redaktion Tamedia nennt die Gründe.
Die erfrischend offensive und erfolgreiche Schweizer U-21, die in Dänemark nach der kontinentalen Krone greift, ist das Kontrastprogramm zum oft mutlosen A-Nationalteam. Sie ist aber vor allem der Beweis dafür, dass im Fussball nur langfristige Strategien zum Erfolg führen und ein intelligentes Konzept mehr wert ist als grosse und teure Namen. Wie die Verantwortlichen des grossen FC Barcelona hat sich Hansruedi Hasler, der frühere Technische Direktor des Schweizerischen Fussballverbands (SFV), deshalb vor 16 Jahren entschieden, im Nachwuchsbereich auf eine einheitliche Linie zu setzen, die überall zwischen Genf und St. Gallen umgesetzt wird.
Selbst die Deutschen bewundern das Schweizer Modell
Hasler, der seit Januar als Technischer Direktor bei den Berner Young Boys tätig ist, verordnete den Schweizer Fussball-Junioren bei seinem Amtsantritt 1995 ein offensives und dynamisches Zonenspiel nach dem Vorbild des FC Barcelona. Zuvor, so bemerkte der 63-Jährige in der «Sportlounge» des Schweizer Fernsehens, sei im Tessin italienischer Catenaccio gepredigt worden, in der Deutschschweiz Bundesliga- und in der Romandie technischer Fussball. Heute sichert ein Netz aus drei regionalen Ausbildungszentren in Payerne, Emmen und Tenero sowie vierzig U-14- und U-15-Zentren im ganzen Land die Umsetzung der Strategie, deren grösster Erfolg bislang der Gewinn der U-17-WM 2009 ist. Das Modell geniesst auch im Ausland hohes Ansehen. «Wenn selbst die Deutschen bei uns schauen kommen, dann ist sicher etwas dahinter», sagt sein geistiger Vater Hasler.
Trotz der ausgezeichneten Arbeit im Nachwuchsbereich stagniert die Schweizer A-Nationalmannschaft aber seit Jahren auf bescheidenem Niveau. Auch weil der Verband weit weniger mutig und innovativ agiert, wenn es um sein wichtigstes Team geht. So löste nach der Euro 08 nicht etwa ein Mann mit Haslers Philosophie und genauen Kenntnissen des Schweizer Nachwuchses Köbi Kuhn als Nationalcoach ab, sondern Ottmar Hitzfeld, der zuvor beim FC Bayern und in Dortmund mit Star-Ensembles arbeitete. Der teure und hochdekorierte Hitzfeld scheiterte an der WM 2010 trotz des mit viel Glück und Disziplin erkämpften Auftaktsiegs gegen den späteren Titelträger Spanien in der Vorrunde und steht auch in der Qualifikation zur EM 2012 vor dem K. o. Selbst nach überraschenden 2:2 in England glaubten in einer Umfrage von Redaktion Tamedia nur noch knapp 29 Prozent der User an ein gutes Ende der Kampagne.
Hitzfelds späte Einsicht
Hitzfeld, der vielleicht der beste Vereinstrainer der letzten 20 Jahre ist, setzte als Nationalcoach viel zu lange auf Vorsicht und Abwarten. Erst als ihm vor der Reise nach London nichts anderes mehr übrig blieb, warf er sein Konzept über den Haufen. Der Lörracher forderte seine Mannschaft auf, ein «neues Gesicht» zu zeigen, «mutig und frech nach vorne» zu spielen. Der Altersschnitt der Startelf betrug im Wembley gerade einmal 24,6 Jahre. Neben den Basler Talenten Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka blühte der im Nationaltrikot zuvor oft enttäuschende Tranquillo Barnetta regelrecht auf und erzielte seine ersten beiden Tore seit vier Jahren. Ein Stück vom Geist, der die U-21-Nationalmannschaft in Dänemark in die EM-Halbfinals getragen hat, war bereits damals zu spüren.
Da die Schweiz die EM der Grossen wohl trotzdem verpassen wird, muss sich Hitzfeld die Frage gefallen lassen, warum er nicht schon früher auf die Offensive gesetzt hat, die den jungen Schweizer Spielern dank des fortschrittlichen Nachwuchskonzepts des Verbandes längst in Fleisch und Blut übergegangen ist. Dank der U-21 ist der Schweizer Fussball 2012 aber vielleicht doch noch bei einem Grossanlass vertreten – schon der dritte Rang an der EM reicht zur Qualifikation für die Olympischen Spiele. Diese finden in London statt. An jenem Ort also, an dem auch Hitzfeld die Maximen des SFV endlich umgesetzt hat.
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