Der Teilzeit-Superman
Luganos Goalie Elvis Merzlikins war in der Qualifikation Durchschnitt – im Playoff hält er wieder überragend.

Es ist noch nicht lange her, da war Elvis Merzlikins am Boden zerstört. Es war an einem Dienstagabend im November. Da kassierte er in Kloten Tore. Nicht zwei, nicht drei, sondern acht. Nie zuvor waren es mehr gewesen in seiner Karriere. Er, der im Frühling zuvor Lugano in den Playoff-Final geführt und wenig später als Nationalgoalie Lettlands erstmals Pucks an einer Weltmeisterschaft gestoppt hatte, war wieder entzaubert. Plötzlich war auch er so inkonstant, wie es seine Vorderleute während der ganzen Qualifikation gewesen waren.
Merzlikins hielt jenen Tag fest, indem er das Datum der deftigen Niederlage twitterte – den 29. November 2016. Vielleicht, um künftig im Moment des Erfolgs nicht abzuheben. Einer, der weiss wie sehr ihn das beschäftigte, ist Marco Baron, Experte des Tessiner Fernsehens mit NHL-Vergangenheit. «Elvis ist eine sehr emotionale Person. Wenn er einen schlechten Abend hatte, sehnt er sich das nächste Spiel herbei, um alles besser zu machen.» Diese Baisse während der Qualifikation sei wertvoll gewesen, sagt Baron. «Elvis musste nach einer starken letzten Saison merken, wie schwer es ist, eine solche zu bestätigen. Nicht das Talent hinderte ihn daran, sondern die mentale Reife. Dieser Junge ist erst 22-jährig, das geht oft vergessen.»
Kommentarlos durchs Playoff
Vier Monate vergehen. Merzlikins' Name kursiert wieder in den sozialen Netzwerken. Diesmal aber, weil er das liefert, was sein Vorname suggeriert: beste Unterhaltung. Im ersten Halbfinal gewinnt Lugano in Bern. Merzlikins wird als Matchwinner gefeiert, weil er 38 von 40 Schüsse pariert. Und wie schon im Playoff-Viertelfinal gegen die ZSC Lions sprechen nach dem Spiel alle nur von ihm, dem Superman. Den schmeichelhaften Beinamen erhielt er, weil er früher Siege mit einem Umhang und einer Superman-Pose feierte. Seit etwas mehr als einem Jahr verzichtet er auf die Flugeinlagen. Der Übername des extrovertierten Letten aber blieb.
Gegenwärtig verhält sich Merzlikins überraschend ruhig. Sprechen darf er nicht, weil man ihm im Tessin nicht zutraut, ohne verbalen Ausrutscher durchs Playoff zu kommen. Fakt ist, dass Merzlikins wieder sein bestes Eishockey spielt. Und das, obwohl es Lugano als Fehler unterstellt wurde, nach dem Abgang von Leo Luongo diese Saison auf einen Vollzeit-Goalietrainer zu verzichten. «Wichtig ist nur, dass Elvis einen Trainer hat, der ihn versteht», so Baron. Denn mit Merzlikins direkten Art bekundeten schon so manche ihre Mühe. «Sollte Lugano Meister werden, wäre das Thema sowieso wieder vom Tisch.»
Den grossen Moment – man traut ihn Lugano wieder zu. Und plötzlich stellt sich auch wieder die Frage, warum Merzlikins letzten Juni einer Vertragsverlängerung zustimmte, ohne eine Ausstiegsklausel für die NHL einzubauen. Baron kennt die Antwort nicht. «Aber es ist kein Fehler, noch ein wenig in der Schweiz zu bleiben und weiter zu reifen.» Die Gefahr, dass das Talent in Nordamerika untergeht, ist wohl noch zu gross. Im Moment denkt Merzlikins nur an die Serie gegen Bern. Nach der Finalniederlage gegen den SCB im vergangenen April flossen bei ihm nämlich die Tränen. Nach dieser Serie sollen sie wieder fliessen. Tränen der Freude.
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