Der Wert der Paralympics
An diesem Wochenende gehen in London die Paralympics zu Ende. Der fünffache Goldmedaillen-Gewinner Lukas Christen erklärt Entwicklungen und Tendenzen der Spiele.
An den Paralympics fallen drei Entwicklungen besonders auf. Erstens: die Beinprothesen ermöglichen immer bessere Lauf- und Sprungergebnisse. Die Frage sollte also nicht mehr lauten, ob die Fibercarbonfüsse ein Vorteil gegenüber natürlichen Füssen sind, sondern wie gross er ist. Zweitens: Früher stand vor allem die Leichtathletik des Rollstuhlsports im Fokus. Heute erkennen die Zuschauer auch die tief greifende Faszination von Dressurreiten, Segeln oder Judo mit Behinderung. Drittens: Es geht in Richtung Profitum. Früher war Sport für die Paralympioniken die wichtigste Nebensache. Der Beruf hatte Vorrang. Heute ist es bei vielen umgekehrt.
Und was zeigen die Schweizer Athleten? Die Leistungen entsprechen den Erwartungen – die Rangierungen nicht. Es zeigt sich, dass in anderen Nationen die Bemühungen für Spitzenplatzierungen viel stärker gewachsen sind. Auch im Behindertensport stellt sich in Zukunft die Frage, wo man Prioritäten setzen will. Viele Athleten entscheiden sich vernünftigerweise für den Beruf. Der Spitzensport ist diesbezüglich jedoch gnadenlos. Nur wer seine physischen und mentalen Grenzen ausdehnen kann, liegt am Ende vorne. Dabei werden Körper und Seele oft Kräften ausgesetzt, die jenseits gesunder Grenzen liegen. Spitzenleistungen sind nicht immer gesund und vernünftig. Das gilt auch für den Behindertensport.
Phase der Selbstfindung und Konsolidierung
Die Paralympioniken befinden sich in einer Phase der Selbstfindung und Konsolidierung. Durch ihr Handicap könnten sie eigentlich eine ausgeprägte Sensibilisierung haben, um zu spüren, wann man sich zurückhalten muss, weil es unvernünftig wird. Da gilt es Grenzen auszuloten und aufmerksam zu dosieren. Doch Behinderte sind denselben Prinzipien ausgesetzt wie gewöhnliche Menschen: Spitzenplätze gibt es oft nur mit unvernünftig hartem Einsatz. Ironie der Geschichte: Der Konsument würdigt die Erfolge – nicht die Vernunft.
Sportler mit Behinderung geniessen in dieser Hinsicht einen Bonus: Die Zuschauer würdigen die Leistung innerhalb dieser Grenzen, statt ständig nach deren Ausdehnung zu verlangen. Die Athleten wissen diesen kleinen Unterschied sehr zu schätzen. Auch deswegen sind die Paralympics eben etwas anders. Und gerade das macht ihren Wert aus.
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