St. Galler Mädchen darf mit Kopftuch zur Schule
Ein bosnisches Mädchen muss während des Unterrichts nicht auf das Tragen eines Kopftuchs verzichten. Das entschied das Bundesgericht.

Eine 2001 geborene, aus Bosnien stammende Schülerin darf in St. Margrethen SG mit Kopftuch zur Schule gehen. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde der Schule St. Margrethen im Zusammenhang mit deren Kopftuchverbot abgewiesen.
Das Bundesgericht kam am Freitag in einer öffentlichen Beratung zum Schluss, dass die gesetzliche Grundlage für ein Verbot zwar vorhanden ist. Weil mit dem Verbot des Tragens eines Kopftuchs aus religiösen Gründen jedoch die Glaubens- und Gewissensfreiheit eingeschränkt wird, müssten mehrere Bedingungen erfüllt sein, damit ein Verbot zulässig wäre. In St. Margrethen ist dies nicht der Fall.
Kein öffentliches Interesse
Die Bundesrichter hielten fest, es fehle an einem öffentlichen Interesse, das ein Verbot rechtfertigen würde. So werde die für einen geregelten Schulunterricht notwendige Disziplin und Ordnung nicht gestört, wenn eine Schülerin ein Kopftuch trage.
Auch werde der religiöse Friede damit nicht gefährdet, und es finde kein Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot statt. Was die Integration und Frage der Gleichstellung von Mann und Frau betrifft, so betonten die Richter, dass es eben im Sinne des Mädchens sei, den Unterricht zu besuchen, um danach eine berufliche Laufbahn einschlagen zu können.
Unterschiedliche Reaktionen
Die Föderation Islamischer Dachorganisationen der Schweiz (FIDS) begrüsste das Bundesgerichtsurteil. «Wer behauptet, das Tragen eines islamischen Kopftuchs sei kein Menschenrecht und habe nichts mit der Religion zu tun, der irrt», sagte FIDS-Sprecher Önder Günes auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Die Schule St. Margrethen SG als Beschwerdeführerin sieht im Kopftuch ein Integrationshindernis. Das Bundesgericht gewichte mit seinem Urteil die individuelle Religionsfreiheit höher als das Interesse an einer erfolgreichen Integration, heisst es in einer Stellungnahme der Schule.
Der Schulrat von St. Margrethen sei nach wie vor überzeugt, dass das Tragen des islamischen Kopftuchs bereits im Kindesalter «ein Symbol für eine fundamentalistische Auslegung des Islams und damit ein Integrationshindernis» sei.
Kölliker froh über Klärung
Der St. Galler Bildungsdirektor Stefan Kölliker (SVP) sagte zum Urteil, er sei «froh, dass diese Frage nun geklärt ist». Unter Köllikers Führung hatte der St. Galler Erziehungsrat Mitte 2010 den Schulen empfohlen, Kopftücher und andere Kopfbedeckungen im Unterricht zu verbieten.
Für Walter Wobmann, SVP-Nationalrat und Co-Präsident des Komitees für die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», ist das vom Bundesgericht ausgesandte Zeichen katastrophal. «Es zeigt, dass sich diese Leute gar nicht integrieren müssen und ein Spezialzüglein fahren dürfen», sagte Wobmann.
Für ihn sei klar: Wenn es eine Schulordnung gebe, so müsse diese von allen respektiert werden und niemand dürfe eine Kopfbedeckung tragen. Andernfalls dürften die Jungen im Sinne der Rechtsgleichheit ebenfalls mit einer «Dächlimütze» oder einem Hut den Schulunterricht verfolgen.
Wobmann wies zudem darauf hin, dass es bei der Ende September vom Egerkinger-Komitee lancierten Initiative um die Verhüllung des Kopfes gehe und nicht um die Kopfbedeckung. «Für mich ist das ein klarer Unterschied. Das Kopftuch ist eindeutig weniger schlimm als die Verhüllung des Gesichts.»
Zahlreiche Vorstösse
Kopftuch- und Burkaverbote beschäftigten in letzter Zeit Politik, Behörden und Gerichte in der Schweiz immer wieder. So krebste eine Thuner Schule, die ein kopftuchtragendes moslemisches Mädchen vom Unterricht ausgeschlossen hatte, im vergangenen August zurück, um einen Grundsatzentscheid des Bundesgerichts abzuwarten.
Der St. Galler Kantonsrat überwies Ende 2014 mehrere Vorstösse mit dem Ziel, Kleidervorschriften für die Schule sowie Einschränkungen der Grundrechte von Schulkindern und Eltern gesetzlich zu verankern. Die Walliser SVP lancierte Anfang 2015 eine kantonale Initiative für ein Kopftuchverbot an Schulen.
Der freiburgische Grosse Rat erliess Anfang 2014 für die Volksschule ein Burkaverbot, lehnte aber ein Verbot von Kopfbedeckungen ab. Die Kantonsparlamente von Basel-Stadt, Bern, Schwyz, Solothurn und Zürich sprachen sich gegen Verbote solcher Kleidungsstücke aus.
Im Tessin wurde im Herbst 2013 ein Verhüllungsverbot an der Urne angenommen. Ganzkörperschleier (Burka) und Gesichtsschleier (Niqab) dürfen nicht mehr im öffentlichen Raum getragen werden.
SDA/dia
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