Stadt deckt Baufirma mit tausendseitigen Rechtsschriften ein
Seit bald sechs Jahren streiten die Stadt Zürich und Implenia um die Baukosten des Stadions Letzigrund.

Stand es um das Stadiondach wirklich so schlecht, dass es die Stadt Zürich mit 31 Notstützen absichern musste? Gab es im Whirlpool wirklich eine unangenehme Geruchsentwicklung? Diese und viele weitere Fragen werden wohl von den Gerichten irgendwann im Sinne der Stadt oder im Sinne des Baugiganten Implenia entschieden werden. Doch der Streit um die Sache ist schon längst dem Streit um die Form gewichen.
Ein Beispiel: Implenia sieht sich genötigt, auch für den Fall vorzusorgen, dass die Stadt ihre neue Rechtsschrift samt Beilagen zusätzlich auch noch in elektronischer Form einreicht. In diesem Fall, so der Antrag der Baufirma vor Obergericht, sei der Stadt «das nur dann zu erlauben, wenn sie zugleich ausdrücklich schriftlich zusichert, dass die in elektronischer Form übergebenen Dokumente von den als Papier übergebenen Dokumenten, abgesehen von der blossen Sichtbarmachung, sich in nichts und insbesondere in keinerlei Information unterscheiden».
Woher das massive Misstrauen? Dahinter steckt die Angst, in der Rechtsschrift der Gegenpartei ein Argument zu übersehen, auf das man reagieren müsste. Auch diese Angst hat einen Grund: Implenia hatte im Juni 2011 Klage gegen die Stadt erhoben. Ihre damalige Klageschrift von 70 Seiten beantwortete die Stadt im November 2011 mit einer Klageantwort, die je nach Zählung 1341 bis 1500 Seiten umfasste.
Ungebührlich weitschweifig
Die Baufirma verlangte vom Bezirksgericht, es müsse die Klageantwort wegen Weitschweifigkeit zurückweisen. Müsste die Firma darauf mit einer praktisch gleich langen Replik antworten, entstünden massive Kosten. Zudem bestünde die Gefahr, dass das Gericht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehe und kein gerechtes Urteil fällen könne. Davon wollte das Bezirksgericht nichts wissen, und auf die dagegen erhobene Beschwerde trat das Obergericht gar nicht ein. Grund: Es entstehe der Firma kein nicht wiedergutzumachender Nachteil.
Allerdings liess es sich das Obergericht nicht nehmen, den Umfang der städtischen Klageantwort als «schwer nachvollziehbar» zu beurteilen. Ein oberflächlicher Blick in die Rechtsschrift offenbare «verschiedene Anzeichen ungebührlicher Weitschweifigkeit». Diese Steilvorlage nützte Implenia, stellte ein Wiedererwägungsgesuch – und bekam recht. Das Bezirksgericht verpflichtete die Stadt, sich bei der Klageantwort auf 500 Seiten zu beschränken.
So weit, so gut. Am 7. Oktober 2013 reichten die Anwälte der Stadt die gekürzte Version dem Gericht ein. Nun ordnete dieses einen zweiten Schriftenwechsel an. Denn in Zivilprozessen ist es üblich, dass ein Kläger auf eine Klageantwort noch einmal mit einer Replik reagieren darf, worauf der Beklagte zu einer Replik mit einer Duplik Stellung nehmen kann. Im Februar 2015 reichte Implenia die Replik ein. Im Oktober desselben Jahres verlangte die Stadt, die Replik müsse zurückgewiesen werden, Grund: «ungebührlicher Inhalt». Als das Gericht dies verneinte, reichte die Stadt im Juli 2016 ihre Duplik ein.
16 Bundesordner Beilagen
Zwei Monate später gab das Gericht der Implenia 90 Tage Zeit, um auf allfällige neue Argumente zu antworten. Doch Implenia verlangte, auch die Duplik müsse wegen Weitschweifigkeit dem Absender retourniert werden. Tatsächlich hatte die Stadt erneut eine Rechtsschrift mit rund 1000 Seiten eingereicht, die drei Bundesordner füllten. Dazu kamen 16 Bundesordner mit Beilagen. Zuhanden der Akten reichte sie noch einen Memory-Stick ein, der die Duplik mit den Duplikbeilagen im PDF-Format sowie eine Tabelle enthielt, mit welcher Tippfehler in der Duplik berichtigt wurden.
Im November 2016 wies das Bezirksgericht das Begehren von Implenia ab und gab ihr ein halbes Jahr Zeit, auf die Duplik zu antworten. Die Firma wandte sich ans Obergericht, wo sie im Wesentlichen die gleichen Argumente vorbrachte wie bei der zu umfangreichen Klageantwort vom November 2011. Erneut forderte sie eine Rechtsschrift von höchstens 500 Seiten.
Aber auch diesmal trat das Obergericht mangels nicht wiedergutzumachenden Nachteils auf die Beschwerde nicht ein. Und es äusserte sich jetzt zurückhaltender zur Weitschweifigkeit. Um eine solche zu prüfen, müsste sich das Obergericht eingehend mit den bisherigen Prozessakten auseinandersetzen. Dies würde nicht nur zu einer «sehr substanziellen Verzögerung» des Verfahrens führen, sondern auch den erstinstanzlichen Sachentscheid «zu einem wesentlichen Teil vorwegnehmen».
Implenia kann diesen negativen Beschluss noch ans Bundesgericht weiterziehen. Gleichzeitig läuft aber auch die sechsmonatige Frist weiter, die das Bezirksgericht Implenia eingeräumt hat, auf die Duplik der Stadt noch einmal zu reagieren. Die Frist läuft am 17. Mai ab. Aber vielleicht gewährt das Bezirksgericht der Baufirma ja eine Fristerstreckung. Das Obergericht hätte vermutlich nichts dagegen.
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