Städtischer Sozialarbeiter hat Klient nicht sexuell genötigt
Für einen Freispruch ist das Gericht zuständig, nicht die Staatsanwaltschaft.

Es muss ein schreckliches Gefühl sein, als Angestellter der Stadt Sozialhilfeempfänger zu betreuen und von einem dieser Hilfebedürftigen beschuldigt zu werden, er nütze seine Notlage aus und missbrauche sein Amt. Und das schreckliche Gefühl lässt sich noch steigern, wenn der Klient behauptet, der Sozialarbeiter habe versucht, ihn sexuell zu nötigen.
So geschah es einem heute 51-jährigen Mann. Ihm warf ein heute 34-jähriger Schweizer Sozialhilfebezüger vor, er habe ihm zwischen Sommer 2012 und Sommer 2013 an Penis und Hoden gegriffen, ihn aufgefordert, mit ihm in einem Hotel Sex zu haben oder den Penis des Sozialarbeiters zu berühren. Der Beschuldigte habe ihm seinen Penis gezeigt und verlangt, dass er seinen auspacke. Schliesslich habe er ihn im Büro im Sozialzentrum an eine Wand gedrückt, in seine Hose gegriffen und gesagt, er soll es einfach geschehen lassen. «Es wird dir nicht wehtun.»
Innert Jahresfrist soll es zu etwa zehn sexuell motivierten Übergriffen gekommen sein. Als Amtsmissbrauch und Ausnützung der Notlage wurde das vermeintliche Tun des Sozialarbeiters taxiert. Denn er hatte die Befugnis, Sanktionen betreffend die Ausrichtung von Sozialhilfegeldern anordnen zu lassen und Entscheide über arbeitsintegrative Massnahmen zu treffen. Der 51-Jährige habe seine Machtbefugnis ausgenützt, indem er die Auszahlung von Sozialhilfegeldern oder die Aushändigung eines entsprechenden Checks vom sexuellen Entgegenkommen des 34-Jährigen abhängig gemacht habe.
«Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass kein Mensch in diesem Saal geglaubt hat, was der Privatkläger erzählte.»
Die Verhandlung am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Zürich zeigte nun so subtil wie deutlich, dass der Staatsanwalt selber nicht an das glaubte, was er pflichtschuldigst in die Anklageschrift geschrieben hatte. Dafür gab es einen einfachen Grund: Ein anderer Staatsanwalt hatte die Strafanzeige des 34-Jährigen mit einer Nichtanhandnahme-Verfügung beantwortet.
Dass so schwerwiegende Vorwürfe ohne eine einzige Abklärung quasi dem Papierkorb übergeben werden sollte, konnte das Obergericht nicht akzeptieren. Es wies die Staatsanwaltschaft an, eine seriöse Untersuchung durchzuführen. Und weil im Rahmen einer Strafuntersuchung der Grundsatz «Im Zweifel für den Angeklagten» nicht gilt, die Staatsanwaltschaft sich im Gegenteil am Grundsatz «Im Zweifel muss angeklagt werden» zu orientieren hat, kam es überhaupt zur Gerichtsverhandlung. Das Bezirksgericht sprach den Sozialarbeiter frei und sprach ihm eine symbolische Genugtuung von 1000 Franken zu. «Ich bin felsenfest davon überzeugt, das kein Mensch in diesem Saal geglaubt hat, was der Privatkläger erzählte», sagte der Gerichtsvorsitzende Roland Heimann in der Urteilsbegründung.
«Unbegreifliche Vorwürfe»
Die Aussagen, die der Privatkläger bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft und vor Gericht gemacht habe, gehörten in ein Lehrbuch, Kapitel Lügensignale und Schwarzweissmalerei. Mit jeder Befragung hätten die Vorwürfe an Schwere zugenommen, ein eigentlicher «Belastungseifer» sei erkennbar. Auffällig sei auch die Schwarzweissmalerei: Der Privatkläger mache nie etwas falsch, Schuld seien immer die anderen.
Die Vorstellung, dass ein verheirateter Mann und Vater als Schwuler ein Doppelleben führe, dem er ausgerechnet in seinem Büro mit den dünnen Gipswänden und den offenen Türen nachlebe, sei «einfach dummes Zeug». Man stelle sich vor, da stehe er im Büro beim Klienten mit heruntergelassenen Hosen da, und eine Kollegin komme zur Tür herein. «Wir wissen nicht», warum der 34-Jährige diese Vorwürfe erhob. Sie seien so unbegreiflich wie nicht nachvollziehbar. Auf die Feststellung seiner geistigen Gesundheit, wie von der Verteidigung ursprünglich gefordert, hatte das Gericht verzichtet.
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