Änderung im ParlamentStänderat wird 100 Prozent transparent – nach jahrelangem Widerstand
Der Ständerat will keine Dunkelkammer mehr sein und künftig all seine Abstimmungsresultate veröffentlichen. Wir sagen, wer dafür stimmte – und wer dagegen.

Für die kleine Kammer ist der Entscheid historisch: Der Ständerat hat seinen jahrzehntelangen Widerstand gegen volle Abstimmungstransparenz aufgegeben.
Künftig soll bei allen Abstimmungen nachvollziehbar sein, wer wie gestimmt hat. Der Rat hat einer entsprechenden Änderung seines Geschäftsreglements am Mittwoch 28 gegen 14 Stimmen zugestimmt. In den letzten Jahren waren entsprechende Anträge im Rat mehrfach gescheitert.
FDP-Chef Burkart dagegen
Im Nationalrat werden schon seit rund zwanzig Jahren alle Abstimmungsergebnisse in Form einer Namensliste veröffentlicht. Im Falle des Ständerats gab es solche Listen bis anhin in der Regel nur zu Gesamt- und Schlussabstimmungen. Dies ändert sich nun.
Doch der Entscheid fiel bei weitem nicht einstimmig. 14 Ratsmitglieder stimmten dagegen. Hier findet sich das Stimmverhalten jedes einzelnen Ratsmitglieds. Anders als bisher bei den Detailabstimmungen wurde dieses Abstimmungsresultat schon nach heutigem Recht offen gelegt.
Nur eine Partei stimmte geschlossen für die volle Transparenz: die Grünen. Alle anderen Parteien waren gespalten. Bei der SP votierten Eva Herzog (BS) und Daniel Jositsch (ZH) gegen die Offenlegung aller Resultate, bei der FDP unter anderem der neue Parteipräsident Thierry Burkart (AG), bei der SVP etwa Alex Kuprecht (SZ) und bei der Mitte-Partei etwa Pirmin Bischof (SO).
Dass die volle Abstimmungstransparenz nun trotzdem kommt, geht zurück auf eine parlamentarische Initiative des parteilosen Schaffhauser Ständerats Thomas Minder. Minder kritisierte in seiner Initiative, die bislang praktizierte «selektive Transparenz» sei den Wählerinnen und Wählern nicht vermittelbar.
Minders persönlicher Mitarbeiter Claudio Kuster feierte den Erfolg seines Chefs auf Twitter.
Die Befürchtung, die Neuerung schade der Diskussionskultur des Ständerats, sei unbegründet, so Minder im Rat. Das zeigten die Erfahrungen seit der Einführung der elektronischen Abstimmung. Politologen, Lobbyisten und Medien erstellten schon heute Politiker-Ratings.
Sorge um Debattenkultur
«Der Ständerat ist keine Dunkelkammer und war es auch nie», wandte dagegen Daniel Jositsch (SP/ZH) namens der Kommissionsminderheit ein. Schon heute könnten alle die Ständeratsdebatten und die Abstimmungen auf der Zuschauertribüne oder im Internet verfolgen.
Wesentlich sei, dass der Ständerat weiterhin als «chambre de réflexion» funktionieren könne, so Jositsch. Es brauche keinen zweiten Nationalrat. Aufgrund der Kleinheit des Ständerats seien echte Diskussionen möglich. Wer Debatten nachvollziehen wolle, müsse sich den Austausch der Argumente anhören – diese seien entscheidend.
Auch Daniel Fässler (Mitte/AI) monierte, der parteipolitische Druck auf die Mitglieder des Ständerats werde zunehmen. Zudem betonte er, quantitative Analysen des Stimmverhaltens einzelner Personen brächten der Öffentlichkeit nichts, solange nicht klar sei, wieso jemand in so einer Weise abgestimmt habe.
Schon heute sei der Ständerat immer «nationalrätlicher» geworden, sagte Alex Kuprecht (SVP/SZ). Es brauche eine gewisse Resistenz, um sich dem Druck der Generalsekretariate der Parteien zu widersetzen. Er mache nicht Politik, um in Parlamentarier-Ratings gut dazustehen.
Transparenz nicht nur für Polit-Profis
Unterstützung erhielt Minder von Hans Stöckli (SP/BE). Es handle sich lediglich um einen kleinen Schritt. Auch Lisa Mazzone (Grüne/GE) sagte, schon heute gebe es für Leute Transparenz, die sich beruflich mit Politik befassten und die Zeit hätten, sich Informationen zu beschaffen. Keine Transparenz gebe es hingegen für die allgemeine Bevölkerung.
Roberto Zanetti (SP/SO) betonte, es müsse ersichtlich sein, wer welche Ratsentscheide zu verantworten habe. Dies insbesondere, da im Ständerat immer häufiger ganz direkt Einzelinteressen vertreten würden. Der Rat habe sich zur «Rumpelkammer der Steueroptimierung» entwickelt, so Zanetti.
Da das Geschäft nur den Ständerat betrifft, ist die Vorlage bereit für die Schlussabstimmung.
SDA/aru
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