«Stil ist Ausdruck der Persönlichkeit»
Nicole Maalouf, Gründerin der grössten deutschsprachigen Wohn-Community, über ihre Vision, Gefühl und Homestorys.

Als Sie vor zwölf Jahren Solebich.de gründeten, war das professionelle Einrichten von Wohnungen und Häusern eine Angelegenheit von Fachleuten. Heute tauschen sich auf Ihrer Plattform mehr als 500'000 Wohnbegeisterte aus. Haben Sie diesen Trend vorhergesehen?
Ich habe ein gutes Bauchgefühl, und als Innenarchitektin und Kulturwirtschaftlerin hat es mich schon immer interessiert, wie andere Menschen leben. Weniger aus einer voyeuristischen Sicht, sondern weil ich überzeugt bin, dass uns das Wohnen alle verbindet.
Bei einem Spaziergang mit Ihrem Mann sollen Sie beschlossen haben, Ihre Idee in die Tat umzusetzen. Das tönt fast ein bisschen märchenhaft. Hatte auch Solebich einen Traumstart?
Nein. Im Gegenteil. Die ersten Jahre waren schwierig. Doch mein Mann und ich waren von unserer Vision überzeugt. Es war die Zeit vor Instagram, und Wohnungsbilder im Internet hochzuladen, war alles andere als selbstverständlich. Mit der Zeit bekamen wir so viele positive Rückmeldungen, dass wir spürten: Wir sind auf dem richtigen Weg.
Inwiefern auf dem richtigen Weg?
Weil wir die Ersten online waren, die Interessierten die Möglichkeit boten, ihre eigenen Wohnungen zu präsentieren. Sie können sich auch über Wohntrends informieren und sich gegenseitig inspirieren.
«Männer zeigen immer mehr Interesse an Einrichtungsthemen.»
Die meisten Ihrer Follower sind Frauen. Die Liebe zum Wohnen und Einrichten ist also fast ausschliesslich weiblicher Natur?
Achtzig Prozent unserer Mitglieder sind Frauen. Sie sind kommunikativ und lieben es, sich auszutauschen. Aber auch Männer zeigen immer mehr Interesse an Einrichtungsthemen.
Alles rund ums Wohnen wird auch im wirtschaftlichen Sinn immer wichtiger. Ist Wohnen die neue Mode?
Das Thema Wohnen hat Konjunktur. Und die Möglichkeiten, sich inspirieren zu lassen, sind heute riesig, sei es über thematische Blogs oder über Wohnmagazine.
Noch vor einem Jahrzehnt waren Homestorys von Prominenten sehr gefragt. Es ging allerdings weniger um den Einrichtungsstil als um einen Blick durchs Schlüsselloch.
Diese klassische Form wird durch authentische Homestorys heute eher ergänzt. Hier steht das Zuhause im Mittelpunkt und weniger die Person dahinter.
Sie betonen ja auch immer wieder, dass Ihre Community die Wohnungen «echter» Menschen zeigt.
Wir zeigen keine gestylten Studiofotos, die Menschen leben wirklich so. Und viele unserer Mitglieder können zudem sehr gut fotografieren.
Viele Wohnungen, die man auf Solebich sieht, sind so stilvoll, dass man sie problemlos in Wohnmagazinen abbilden könnte. Wäre es nicht spannender, auch ein bisschen Unordnung zu zeigen?
Warum sollte man Unordnung zeigen? Wenn man Gäste empfängt, räumt man das Zuhause ja auch auf. So geht es auch unseren Mitgliedern. Sie möchten ihr Zuhause von der schönsten Seite zeigen.
Wo liegt der grösste Unterschied zwischen einem klassischen Wohnblog, der von einer einzigen Person kuratiert wird, und Solebich?
Der wichtigste Unterschied ist sicher der Austausch unter den Mitgliedern. Das war ja auch unser Gründungsgedanke. Und das Schöne ist, diese Kontakte passieren nicht nur virtuell. Freundschaften entstehen auch in der Realität. Man besucht sich gegenseitig, fährt vielleicht zusammen auf eine Einrichtungsmesse oder besucht einen Flohmarkt.
«Es ist wichtig, Wissen über Qualität und Design zu vermitteln.»
Ihre Community kommt auch zu offiziellen Treffen oder auf Messen zusammen. Was ist der Gedanken dahinter?
Die Solebich-Apartments finden an aussergewöhnlichen Orten statt. Wir möchten bei diesen Treffen den Interessierten zeitgenössisches Design und Klassiker namhafter Möbelmarken näherbringen. Darum arbeiten wir auch mit Partnern aus dem Wohn- und Möbeldesign zusammen.
Für hochstehendes Möbeldesign kann man ja in ein Museum oder in ein Designgeschäft gehen.
Bei uns geht es lebendiger zu als in einem Museum. (lacht) Bei unseren Treffen wollen wir das Zusammensein geniessen, gut essen und trinken und bei dieser Gelegenheit auch die Geschichte, den Hintergrund und die Besonderheiten von Designobjekten aufzeigen. Was die gehobenen Einrichtungsläden betrifft: Da existiert immer noch eine gewisse Schwellenangst.
Hat der Interior-Trend bereits seinen Höhepunkt erreicht?
Ich glaube nicht. Es gibt immer wieder neue Themen. Meiner Meinung nach ist es wichtig, in einer Zeit, in der viele Einrichtungshäuser schliessen, Wissen über Qualität und Design zu vermitteln. Die Menschen informieren sich inzwischen meist online, und oft ist es nicht klar, warum manche Produkte teurer sind als andere. Nur wenn ich als Käufer verstehe, warum ein hochwertiger Designklassiker deutlich mehr kostet als eine günstig hergestellte Replika, kann ich eine bewusste Kaufentscheidung fällen. Und für viele Möbelhersteller ist das eine sehr schwierige Aufgabe, diese Unterschiede zu kommunizieren.
Warum sehen wir eigentlich keine Fotos Ihrer eigenen Wohnung auf Solebich?
Wir sehen uns als Gastgeber. Es geht nicht darum, wie ich wohne, sondern um die Vielfalt. Unsere Aufgabe ist es, dass sich unsere Mitglieder wohlfühlen. Wir versuchen, über unsere Homestorys und Artikel möglichst viele Wohnstile zu zeigen.
Verraten Sie uns Ihren ganz persönlichen Einrichtungsstil?
Meinen Stil würde ich als unkompliziert und mit Brüchen bezeichnen.
Und wie sieht dieser Stil konkret aus?
Ein eher minimalistisch-gemütlicher, zeitloser Stilmix, der aus den Zutaten Neu und Alt, Günstig und Teuer, Flohmarkt und Erbstücken besteht. Und ich liebe mein Kuriositätenkabinett. Ich sammle kleine Dinge, die für mich einen grossen Wert haben und in einer alten, kleinen Vitrine beherbergt werden, die etwas versteckt in unserem Haus zu finden ist. Darin finden sich altes Porzellan, Ersteigertes aus Auktionshäusern, alte kleine Kristallvasen, Fundstücke und vieles mehr. Von einem Flohmarkt in Bozen habe ich gerade eine alte russische Keramikmaske mitgebracht.
Lässt sich Stil eigentlich erlernen?
Ich glaube nicht, dass wir mit einem Stilgefühl geboren werden. Dieses entwickeln wir, wenn wir mit offenen Augen durch die Welt gehen, und Dinge um uns wahrnehmen. Der eigene Stil ist ja auch immer der Ausdruck unserer Persönlichkeit.
Wohnen – Die Übersicht
Editorial: Ein Haus für eine halbe Milliarde10 Trends, die das Wohnen noch schöner machenSo landen Sie im richtigen BettEssay: Trendforscherin Oona Strathern über unsere Sehnsucht nach dem «smarten» LebenSo wird Ihr Badezimmer zur WohlfühloaseDer Traum von der eigenen SaunaKaufen ist günstiger als mieten, aber ...DFAB House – Das smarteste Gebäude der SchweizWas Gadgets an Sicherheit bieten könnenSolebich.de-Gründerin Nicole Maalouf im Interview

Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch