Die Schweiz ist weiterhin eine Preisinsel. Ein wichtiger Grund dafür ist die hohe Marktkonzentration im Detailhandel mit zwei dominierenden Anbietern. Diese argumentieren dagegen, sie stünden in hartem Wettbewerb. Das stimmt. Aber die Marktkonzentration pervertiert den Wettbewerb. Für einen Anbieter mit grossem Marktanteil lohnt es sich nicht, die Preise allgemein zu senken. Denn den Gewinnen dank zusätzlichen Kunden stehen grosse Verluste infolge Preissenkungen für die bisherigen Kunden gegenüber. Mehr Erfolg verspricht eine andere Strategie.
Das Schlüsselwort heisst Preisdifferenzierung. Die Preise werden zwischen den Kunden so differenziert, dass ihre Zahlungsbereitschaft möglichst vollständig zugunsten des Anbieters abgeschöpft wird. Dazu helfen verschiedenste Marketinginstrumente: Elektronische Rabattsysteme wie Cumulus und Supercard mit je nach Produktekategorie, Wochentag, Einkaufsbetrag und Kundencharakteristik variierender Rabatthöhe; preisliche Differenzierung zwischen Produktelinien, Filialen, Gross- und Familienpackungen – und natürlich Aktionen, Aktionen und nochmals Aktionen.
Klar, dient das teils auch anderen Zielen, etwa dem Sammeln von Kundendaten und zuweilen auch Leistungsverbesserungen. Die Hauptaufgabe all dieser Massnahmen ist aber die Preisdifferenzierung: Den Kunden, die stark auf Preise reagieren, sollen tiefere Preise geboten werden. Die Kunden hingegen, die weniger auf Preise reagieren, sollen einen möglichst hohen Preis zahlen.
Manche meinen, Preisdiskriminierung gehöre zur freien Marktwirtschaft und sei gut und richtig. Das ist falsch. Freier Wettbewerb mit vielen Konkurrenten verunmöglicht Preisdiskriminierung. Das heutige Ausmass der Preisdiskriminierung zeigt hingegen, dass die Märkte krank sind. Die häufigen Halbpreisaktionen illustrieren, wie stark überhöht die Normalpreise und -margen sind.
«Die Kunden haben immer mehr Aufwand, die günstigen Angebote zu finden und zu nutzen. Und das Ergebnis ist völlig asozial.»
Die Preisdiskriminierung verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten. Bei den Detailhändlern gibt es grosse Abteilungen von teuren Spezialisten, die nur für diesen Unsinn arbeiten, und die Kunden haben immer mehr Aufwand, die günstigen Angebote zu finden und zu nutzen. Und das Ergebnis ist völlig asozial: Am wenigsten auf die Preishöhe reagieren Menschen, die wenig Zeit zur Aktionensuche haben, nur kleine Mengen brauchen, kleine Lagermöglichkeiten haben, und immobil sind. Die höchsten Preise zahlen deshalb nicht «die Reichen», sondern vielmehr alleinerziehende Mütter und Väter sowie ältere Personen mit Kleinhaushalten ohne Auto.
Preisdiskriminierung ist aber nicht immer schlecht. Zuweilen ist sie volkswirtschaftlich sinnvoll – etwa wenn bei speziellen Saisonangeboten mit grossen Verkaufsmengen die Beschaffungs- und Logistikkosten der Detailhändler tiefer sind. Die Sache ist also kompliziert. Hilfreich ist aber eine einfache Analogie: Wir alle sind für «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit». Ganz analog muss auch gelten «Gleicher Preis für gleiche Leistung». Ansonsten sind auch die gleichesten Löhne nicht gleich viel wert.
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Stoppt die Preisdiskriminierung
Das heutige Ausmass der Preisdiskriminierung zeigt, dass die Märkte krank sind.