«Straflager sind das Gesicht des Landes»
Nach Chodorkowski sind mit den beiden Musikerinnen der Punkband Pussy Riot zwei weitere Kreml-Kritiker freigekommen. Tolokonnikowa und Aljochina gaben sich bereits wieder angriffig.
Keine Emigration und erst recht keine Kapitulation vor Putin - das sind die Botschaften von Nadeschada Tolokonnikowa und Maria Aljochina. Als die beiden Frauen nach mehr als 20 Monaten in Haft ihre Straflager verlassen, sind sie kämpferisch gestimmt. «Mit meiner Entlassung fängt alles erst an, weil die Grenze zwischen Freiheit und Unfreiheit sehr eng ist in Russland, in diesem autoritären Staat», sagt die 24 Jahre alte Tolokonnikowa.
Ihre zuvor schon an der Wolga aus dem Straflager entlassene Bandkollegin Aljochina zeigt sich ebenfalls ungebrochen. Die beiden Frauen telefonieren. Es ist das erste Gespräch, seit sie im August vorigen Jahres zu zwei Jahren Straflager verurteilt wurden.
«Straflager sind das Gesicht des Landes»
Und zumindest Aljochina sagt, dass sie es wieder tun würde - und überhaupt auf Putins Amnestie pfeife und bis zum regulären Haftende Anfang März auch noch durchgehalten hätte.
Nadeschda Tolokonnikowa verglich Russland mit einem Straflager. «Russland ist nach dem Modell einer Strafkolonie aufgebaut», sagte die 24-Jährige kurz nach ihrer Freilassung vor Journalisten. «Straflager und Gefängnisse sind das Gesicht des Landes», fügte sie hinzu. Um das Land zu verändern, müsse auch das Strafvollzugssystem geändert werden. Tolokonnikowa kündigte an, sich künftig vor allem für die Rechte von Gefangenen einsetzen zu wollen.
Tolokonnikowa und ihre Bandkollegin Maria Alechina waren im Februar 2012 nach einer Protestaktion gegen den heutigen Präsidenten Wladimir Putin in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale festgenommen und wegen «Rowdytums» zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt worden.
Neues Amnestiegesetz
Den Weg für ihre Freilassung ebnete ein vom russischen Parlament verabschiedetes Amnestiegesetz, unter das Häftlinge fallen, die zu weniger als fünf Jahren Haft verurteilt wurden. Erwähnt werden darin insbesondere Frauen mit minderjährigen Kindern und wegen Rowdytums Verurteilte. Alechina und Tolokonnikowa haben beide je ein kleines Kind. Das dritte Pussy-Riot-Mitglied, Jekaterina Samuzewitsch, war bereits wenige Monate nach der Verurteilung wegen Rowdytums in einer Moskauer Kathedrale auf Bewährung freigekommen.
Alechina hat das Amnestiegesetz kurz nach ihrer Freilassung als «PR-Trick» bezeichnet. «Das ist kein humanitärer Akt, das ist ein PR-Trick», sagte sie dem Sender Doschd. Wenn sie eine Wahl gehabt hätte, die Amnestie abzulehnen, hätte sie das getan. Eine ihrer Anwältinnen, Irina Chrunowa, sagte der Nachrichtenagentur AFP, Alechina habe das Straflager an Bord eines schwarzen Wagens der Gefängnisverwaltung verlassen. Das sei «zweifellos geschehen, um der medialen Aufregung» zu entgehen.
Experten sehen die Amnestie zum 20. Jahrestag der russischen Verfassung als Versuch Putins, vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi Kritiker im Westen zu besänftigen. Parallel zur Amnestie des Parlaments hat Putin den Regierungskritiker Michail Chodorkowski begnadigt, der sich inzwischen in Deutschland aufhält.
AFP/sda/AP/ajk/bru
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