Streit um Japans verseuchte Gebiete
Die japanische Regierung will mit einer gigantischen Putzaktion das verstrahlte Land um Fukushima wieder bewohnbar machen. In der Bevölkerung findet das Vorhaben nicht nur Befürworter.
Rund 900 japanische Soldaten stehen ab heute in der 20-Kilometer-Sperrzone um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im Einsatz. In den kommenden zwei Wochen sollen die Einheiten in mehreren Ortschaften verstrahlte öffentliche Gebäude mit Hochdruckreinigern dekontaminieren. Beim Projekt handelt es sich um die Vorlaufphase eines gigantischen Aufräumplanes der japanischen Regierung. Dieser sieht vor, die Sperrzone um Fukushima ab Januar 2012 im grossen Stil zu reinigen und wieder bewohnbar zu machen.
Erst am Sonntag wurde das Reinigungskonzept für Bauten medienwirksam in Okuma vorgestellt. Laut einem Bericht der «Japan Times» ist die von den Behörden angepriesene Effektivität der Methode aber fragwürdig. Auch nach einer Wasserbehandlung von über 40 Minuten liessen sich die Strahlenwerte kaum mehr reduzieren. Ähnliches wird von weiteren Pilotprojekten in der Sperrzone berichtet, die laut der «New York Times» bereits wieder eingestellt werden mussten.
Wiedergeburt oder finanzieller Ruin
Die Frage nach der Durchführbarkeit einer Wohnbarmachung der Sperrzone ist jedoch längst nicht nur Thema eines wissenschaftlichen Disputs. In Japan ist ein wahrer Streit um den Sinn des Regierungsprojektes entbrannt. Befürworter der Idee sehen diese als Metapher für Japans Wiedergeburt. Für die Regierung stellt die mögliche Wiederbelebung des verstrahlten Gebietes ein Vorzeigeprojekt dar, welches der Welt zeigen soll, dass Japan noch immer eine technisch überlegene und äusserst entschlossene Nation ist.
Die Gegner auf der anderen Seite befürchten, dass das gigantische Unterfangen zum Millionengrab für das Land werden könnte. Denn die Ausmasse des Vorhabens sind wahrlich monumental. Um die Sperrzone um Fukushima wieder bewohnbar zu machen, müssten nicht nur Tausende von Gebäuden von radioaktiven Teilchen gereinigt werden, sondern man müsste auch den Oberboden auf einer Fläche von rund 15'000 Quadratkilometern abtragen. Gemäss «New York Times» würde dies bedeuten, dass sogar bewaldete Hügelzüge kahlgeschlagen und abgeschabt werden müssten.
Ein Leben mit Schutzmasken?
Bis anhin ist das beispiellose Projekt auch nicht gerade auf einem guten Weg. Die japanische Regierung musste Probegrabungen einstellen, weil sich die Gemeinden weigern, die Tonne verseuchter Erde zu lagern. Andernorts massen Wissenschaftler auch nach einem ausführlichen Reinigungsprozedere Strahlenwerte, die weit über dem internationalen Grenzwert für langfristige Bewohnbarkeit waren. Tomoya Yamauchi von der Universität Kobe meinte etwa, in Fukushima City habe man die Strahlenbelastung gerade einmal um ein Viertel senken können. Dies bedeute, dass die Strahlendosis in der Stadt noch immer viermal stärker sei als die maximale empfohlene Belastung. «Daraus können wir nur schliessen, dass dieses Vorhaben bisher ein Fehlschlag war», kommentiert Yamauchi den Aufräumplan gegenüber der «New York Times».
Derweil stehen auch viele der Evakuierten dem gigantischen Vorhaben skeptisch gegenüber. Die älteren Generationen zweifeln, dass selbst bei einer erfolgreichen Durchführung überhaupt Jüngere zurück in das Gebiet ziehen würden. Andere bezeichnen das Vorhaben als wahnwitzig und als einen Versuch der Regierung, sich vor Kompensationszahlungen zu drücken. Viele Familien bezeichnen das Ganze schlussendlich als zu gefährlich. Eine Frau meinte gegenüber der Zeitung etwa: «Wie sollen wir da wieder leben? Sollen wir dann die ganze Zeit Schutzmasken tragen?»
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