
Yusuf Akcayoglu zögert keine Sekunde. «Ja, wir werden pünktlich fertig sein», sagt der Bauleiter des Istanbul New Airport und damit des grössten Bauprojekts der Türkei. Nach nur 42 Monaten Bauzeit wird am 29. Oktober 2018 der neue Flughafen der türkischen Metropole in Betrieb genommen. «An jenem Tag passiert der Big Bang – alle Linienflüge werden nicht mehr am Flughafen Atatürk starten und landen, sondern am Istanbul New Airport.» Noch kann man sich das kaum vorstellen. Wo schon in zwölf Monaten Flugzeuge in den Himmel steigen sollen, fahren heute noch Lastwagen durch die Landschaft. Sie bringen Erdreich weg, das beim Abtragen von Hügeln und Ausgraben von Fundamenten auf dem 76,5 Quadratmeterkilometer grossen Gelände nordwestlich von Istanbul anfällt. Staub liegt in der Luft, die wegen der heissen Herbstsonne flimmert.
Und doch lässt sich bereits von weitem erkennen, was hier bald stehen wird. Zwei 3750 Meter lange Pisten wurden schon asphaltiert, der 95 Meter hohe Kontrollturm reckt sich in die Höhe, und in der Ferne ist das Zentralterminal zu erkennen, an dem schon Fluggastbrücken wie Tentakel nach aussen ragen. An einigen Stellen wurde die Fassadenverglasung bereits montiert. Überall sind Arbeiter am Werk. Sie verlegen Kabel, montieren Deckenverkleidungen, schweissen Stahlträger zusammen oder verbinden die Bahnen der Gepäckanlage.
«Das ist ein Muss-Projekt für die Türkei», sagt Bauleiter Akcayoglu. Istanbul liege geografisch zwischen Europa und Asien, deshalb sei es ein idealer Ort zum Umsteigen. Das weiss auch Turkish Airlines. Die National-Airline hat sich einem Expansionskurs verschrieben. «Ohne neuen Flughafen wäre ein weiteres Wachstum aber nicht mehr möglich», so Akcayoglu. Der Flughafen Atatürk arbeitet am Limit – oder schon darüber.
«Wir bauen keinen Luxusflughafen»
In der Türkei plant man grosszügig, um diesen Mangel zu beheben. Der neue Flughafen an der Schwarzmeerküste soll einst 150 Millionen Passagiere pro Jahr aufnehmen können und damit der grösste der Welt sein. Dass die politische Stimmung zwischen Europa und der Türkei derzeit vergiftet ist und die Touristen aktuell seltener ins Land reisen und mit Turkish Airlines buchen, kümmert Akcayoglu wenig. «Wenn Sie bei einem so grossen Projekt die Planung die ganze Zeit an kurzfristige Ereignisse anpassen, dann kommt es nicht gut», sagt er. «Solche Schocks wie nach den Terroranschlägen in Istanbul und dem Putsch halten nicht ewig an. Die Passagiere werden zurückkommen.» In diesem Sommer stiegen die Besucherzahlen wieder.
Hinter dem Projekt steht Erdogans Vision der Türkei.
Fern von solchen Diskussionen gehen 32'000 Arbeiter am Istanbul New Airport Tag für Tag ihrer Arbeit nach. Sie kommen aus der Türkei, aber auch aus Ländern wie Aserbeidschan, Pakistan, Bangladesh. Die vielen Männer und einige Frauen wohnen in einer eigenen kleinen Containerstadt am Rand des Baugeländes, das so gross ist wie 11 000 Fussballplätze. Sie hat ein eigenes Spital, eine eigene Schule, eigene Läden. Nicht nur zeitlich liegen Akcayoglu und sein Team bis jetzt im Plan. Auch das Budget haben sie bisher eingehalten. Die gesamten Baukosten werden auf umgerechnet etwa 12 Milliarden Franken geschätzt. «Das liegt zum einen daran, dass wir keinen Luxusflughafen bauen, wie es oft am Persischen Golf geschieht. Wir bauen den Flughafen so, dass er für die Passagiere praktisch und funktionell ist. Auf Unnötiges verzichten wir», verrät der Chef sein Geheimnis.
Fast noch wichtiger ist für ihn aber, wie man vorgegangen sei. «Im Englischen nennt man es BOT oder Build, Operate, Transfer. Wir bauen den Flughafen nicht nur, sondern besitzen auch die Lizenz, ihn danach für 25 Jahre zu betreiben. So verhindern Sie Interessenkonflikte. Ich habe selbst ein Interesse daran, möglichst früh fertig zu sein. Denn nur wenn der Flughafen bereit ist, fliessen auch die Einnahmen», sagt Akcayoglu. Auch die ganzen Streitereien zwischen Baufirma, Auftraggeber und Betreiber fielen weg. Der Geomatiker weiss, wovon er spricht. Er hat schon den Bau der Flughäfen von Doha, Muscat, King Khaled in Riad und des Midfield Terminal in Abu Dhabi begleitet. «Ich kenne das aus vielen meiner früheren Flughafenprojekte. Es kam stets der Punkt, wo darum gestritten wurde, was jetzt genau zum Auftrag gehört und was nicht. Das führt immer zu Budget- und Zeitüberschreitungen. Das kann es bei einem BOT-Modell nicht geben.»
«Es gab immer wieder schwierige Momente»
Das heisst nicht, dass es auch am Istanbul New Airport keine Probleme gegeben hat. «Es gab immer wieder schwierige Momente», erzählt Akcayoglu. «Wir haben ja hier vieles gleichzeitig in Angriff genommen, um pünktlich fertig werden zu können. Während an vielen Orten noch Erdreich abgetragen wurde, konnte anderswo die Baugrube für das Fundament des Terminals gegraben werden.» Das hat zwar Zeit gespart, aber es hatte auch einen Nachteil, wie sich eines Morgens zeigte. «Einmal begann es sehr stark zu regnen. Die Wände der Baugrube sahen aus wie die Niagarafälle, so viel Wasser lief da herunter. Nun war die Baugrube ein See. Meine Männer mussten mit dem Boot über die Baustelle fahren», sagt der Bauleiter.
Hinter dem Projekt steckt Erdogans Vision der Türkei.
Ein anderes Mal spielte das Wetter genauso verrückt. «Wir hatten uns entschlossen, das Gepäckbeförderungssystem einzubauen, bevor das Dach des Terminals gebaut war. Es ist ja Sommer – dachten wir uns. Da kann nichts passieren. Und dann kam ein völlig unerwartetes Gewitter. Wir mussten dann schnell ein temporäres Dach aufziehen», erzählt der Leiter des Megaprojekts, hinter dem ein Konsortium aus fünf türkischen Konzernen aus den Branchen Bau, Tourismus, Energie, Hafenverwaltung und Flughafenbetrieb steht.
Parkplätze, U-Bahn und eine App
Akcayoglu verspricht den Passagieren des Megaflughafens viel. «Es ist zwar ein grosser Flughafen, aber der Komfort wird dennoch gross sein.» Man setze auf zahlreiche technische Hilfsmittel, um die Passagiere zu leiten, etwa eine spezielle App. «Das ist nicht alles: Der Parkplatz liegt gleich neben dem Terminal, die Bus- und die U-Bahn-Station auch; alle Passagiere werden über eine Fluggastbrücke aus- und einsteigen können und vieles mehr.» Nur ein Problem, das ist auch beim Istanbul New Airport nicht gelöst: wie der Flughafen nach seiner Eröffnung offiziell heissen wird. «Der Entscheid liegt ganz allein bei der Regierung. Wir erfahren da auch nicht mehr. In der Türkei werden Flughäfen normalerweise nach türkischen Persönlichkeiten benannt. Da gibt es reichlich Auswahl», sagt Akcayoglu. «Klar ist», sagt er, «dass hinter diesem Projekt die Vision von Präsident Recep Tayyip Erdogan steckt.»
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Sultan Erdogan Airport
Am Rande Istanbuls entsteht der grösste Flughafen der Welt, der dereinst 150 Millionen Passagiere pro Jahr aufnehmen soll. Geplant ist ein Drehkreuz zwischen Europa und Asien.