Superstar-Firmen bringen freie Marktwirtschaft in Gefahr
Der Internationale Währungsfonds sieht zunehmende Nachteile durch die Marktmacht einzelner Unternehmen – auch für die Beschäftigten weltweit.

Die freie Marktwirtschaft ist in Gefahr – so könnte man eine Studie des Internationalen Währungsfonds interpretieren, die er heute im Rahmen des halbjährlichen Weltwirtschaftsausblicks schon vorab veröffentlicht hat.
Der Fokus der Studie liegt allerdings nicht auf ideologischen Herausforderern, autokratischen Regimes oder dem wachsenden Einfluss des kommunistischen China. Die Gefahr droht von innen: von einer immer grösseren Macht weniger Unternehmen.
Wie die Studie zeigt, hilft die wachsende Marktmacht eine ganze Reihe problematischer Entwicklungen zu erklären, die seit längerem für Beunruhigung sorgen und für den wachsenden Einfluss der Populisten verantwortlich gemacht werden: sinkende Investitionen, tiefere Zinsen, ein geringes Produktivitäts- und Wirtschaftswachstum und der sinkende Anteil der Beschäftigten am gesamten ökonomischen Output und damit auch die gestiegene Ungleichheit.
Je höher die Marge, desto grösser die Marktmacht.
Für die Studie haben zwölf Ökonominnen und Ökonomen rund eine Million Unternehmen über alle Branchen in 27 Ländern seit dem Jahr 2000 untersucht. Zwei Drittel der Unternehmen befinden sich in reichen und ein Drittel in Schwellenländern. Die Schweiz ist allerdings nicht darunter.
Die Marktmacht haben die Autoren anhand der Marge zwischen den Preisen, die ein Unternehmen am Markt für seine Produkte durchsetzen kann, und den (Grenz-)Kosten dafür gemessen. Je höher die Marge, desto grösser die Marktmacht.
Wie die Studie zeigt, hat die Marktmacht weniger Unternehmen in allen Industrieländern zugenommen. In den USA allerdings stärker als in Europa. Besonders deutlich zeigt sie sich im nicht industriellen Bereich (in der Industrie hat sich dagegen wenig verändert). Der IWF nennt zum einen die Finanz- und Versicherungsbranche und die Versorger. Zum anderen aber zeigt sich eine ausgeprägte Marktmacht – und Marktmachtzunahme – bei Firmen aus dem IT-Bereich. Und während der gemessene Zuwachs an Marktmacht insgesamt nur moderat ist, zeigt er sich besonders deutlich bei den grössten und bereits mächtigsten Firmen.
Das Arbeitseinkommen nimmt ab
Auch wenn die Studie keine Namen von Unternehmen nennt, dürfte es sich vor allem um Grosskonzerne wie Google, Facebook, Microsoft und Apple handeln, die hier angesprochen sind. Bereits in anderen Studien wurden deren Macht und die Folgen etwa auf den Arbeitsmarkt unter dem Stichwort Superstar-Firmen thematisiert. Grossen Anteil an dieser Forschung hat auch der in Zürich lehrende Ökonom David Dorn.
Die Ökonomen des IWF stützen nun die Ergebnisse von Dorn und Kollegen. Schon diese haben festgestellt, dass die Machtkonzentration bei wenigen Unternehmen dazu beigetragen hat, dass der Anteil der Arbeitseinkommen am gesamten Wirtschaftsausstoss im Vergleich zu den Kapitaleinkommen abgenommen hat. Besonders ausgeprägt ist dies in den USA, doch zeigt es sich auch in der Tendenz weltweit.
Superstar-Firmen zahlen deutlich höhere Löhne
Der IWF begründet nun den sinkenden Arbeitsanteil – und die gewachsene Lohnungleichheit – unter anderem damit, dass die Eigner der mächtigeren Konzerne grössere Profite abschöpfen und dass diese Firmen die Profite auch mit einer geringeren Produktionsleistung erzielen können, wodurch die Nachfrage nach Beschäftigten im Vergleich zu einer Situation ohne Marktmacht sinkt. Ähnlich haben auch Dorn und Kollegen argumentiert. Ausserdem können die Superstar-Firmen angesichts ihrer grösseren Macht auch deutlich höhere Löhne vor allem für das Spitzenpersonal bezahlen, was die Lohnungleichheit erhöht.
Für die Superstar-Firmen spricht auf den ersten Blick laut Erkenntnis des IWF und anderer, dass es sich bei ihnen um besonders produktive und innovative Unternehmen handelt, was wiederum an Google, Apple und Konsorten denken lässt. Doch wenn diese Macht einmal erreicht ist, kann sie auch aus technischen Gründen kaum mehr herausgefordert werden.
Ein Grund sind Skaleneffekte: Die Kosten eines Angebots, wenn es einmal programmiert ist – wie zum Beispiel Youtube –, werden pro Nutzer immer kleiner, je mehr das Angebot nutzen. Netzwerkeffekte sorgen schliesslich dafür, dass ein Angebot für die Nutzer immer wertvoller und unverzichtbarer wird, je mehr es ebenfalls nutzen – deshalb ist es schwer, Facebook oder Whatsapp zu konkurrenzieren.
Aufforderung zu mehr Wachsamkeit
Dass die Macht der mächtigsten Unternehmen bisher angesichts ihrer Leistung für ihre Kundschaft gestiegen ist, beunruhigt gemäss den IWF-Ökonomen vor allem mit Blick auf die Geschichte. Denn einmal an der Spitze würden Unternehmen in der Regel versuchen, ihre Konkurrenz auch durch weniger ehrenhafte Methoden vom Eintritt in ihr Geschäft abzuhalten versuchen.
Ein Beispiel dafür ist Google, das andere Anbieter auf dem Netz durch seinen Einfluss gezielt benachteiligen wollte, wie das die EU dem US-Konzern vorwirft, und ihm dafür eine Milliardenstrafe auferlegt hat.
Ab einem gewissen Punkt würden ausserdem laut IWF mächtige Firmen in ihrer Innovationskraft abnehmen, da sie kaum mehr konkurrenziert werden können. Ihr Einsatz wird sich dann darauf konzentrieren, ihre Macht über politischen Einsatz zu sichern oder Steuern durch geschickte internationale Firmenstrukturen zu sparen.
Der IWF fordert deshalb die Aufsichtsbehörden überall zu Wachsamkeit auf – und zu entschiedenem Handeln, wenn das nötig wird. Insbesondere Firmenzusammenschlüsse gelte es unter dem Aspekt der Marktmacht besonders genau unter die Lupe zu nehmen.
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