Delegiertenversammlung mit «4G»SVP-Präsident wirft Bundesrat Wortbruch vor
Die Corona-Einschränkungen hätten schon längst aufgehoben werden müssen, erklärt Marco Chiesa an der SVP-Delegiertenversammlung. Für diese galten daher «spezielle» Massnahmen.

Die «willkürlichen und weltfremden Massnahmen aus den Büros von Bundesbern» hätten längst aufgehoben werden müssen, sagte SVP-Präsident Marco Chiesa am Samstag an der Delegiertenversammlung seiner Partei. Dem Bundesrat wirft er Wortbruch.
Parteipräsident Chiesa begrüsste die Delegierten in Montricher VD zu einer «besonderen» Delegiertenversammlung in einem offenen Zelt – ohne Zertifikatspflicht. Alle seien willkommen: «Geimpfte, Getestete, Genesene... und Gesunde! 4G statt 3G!»
Die SVP sei absolut nicht gegen das Impfen, sie lasse sich aber nicht spalten, sagte Chiesa. «Wir Geimpfte und Ungeimpfte lassen uns nicht gegeneinander aufhetzen», sagte er weiter.
Statt wie versprochen die starken Massnahmen aufzuheben, habe der Bundesrat mit der Ausweitung der Zertifikatspflicht das Gegenteil getan und die Massnahmen sogar verschärft. Damit habe die Landesregierung Wort gebrochen. Diese müsse nun endlich eine verbindliche Ausstiegsstrategie vorlegen, um wieder zur demokratischen Normalität zurückzukehren.
Die Zertifikatspflicht sei eine unnötige Bevormundung der Bevölkerung. Die Mehrheit der Landesregierung habe daraus ein «Diskriminierungs-Zertifikat» gemacht, obwohl es gut funktionierende Schutzkonzepte gebe. Die Zertifikatspflicht hingegen sei eine unnötige Bevormundung der Bevölkerung.
Energiestrategie «ökologischer Blindflug»
Scharfe Kritik übte Chiesa auch an der Energiestrategie 2050 des Bundesrates. Diese sei im Grund keine Strategie, sondern ein «ökologischer Blindflug», der den Wohlstand und die Versorgungssicherheit gefährde. Chiesa forderte Energieministerin Simonetta Sommaruga auf, ihre «rosarot-grüne Brille» abzulegen.
Die SVP warne schon lange davor, dass die Schweiz in absehbarer Zeit ein Stromversorgungsproblem bekomme. Jetzt brauche es mehr Ehrlichkeit in der Energie-Debatte. Laut Chiesa ist es offensichtlich, dass der Bedarf an Strom ständig wächst. Allein mit erneuerbaren Energien könne das Stromversorgungsproblem niemals abgedeckt werden.
Auch ein Stromabkommen mit der EU sei keine Lösung. Die Schweiz müsse selber mehr Strom produzieren, um nicht in eine gefährliche Abhängigkeit zu geraten.
Nein-Parole zur Justiz-Initiative
Die SVP-Delegierten sind gegen die Auslosung von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern. Sie haben mit 179 Ja- zu einer Gegenstimme die Nein-Parole zur Justiz-Initiative gefasst, über die am 28. November abgestimmt wird.
Die Justizinitiative, welche Bundesrichterinnen und Bundesrichter künftig per Los bestimmen wolle, sei klar abzulehnen, sagte die Zürcher SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. Es bestehe kein Grund, an der geltenden Praxis etwas zu ändern, das Parlament würde jeglichen Einfluss auf die Wahlen ans Bundesgericht verlieren.
Die Einführung des Losentscheides sei völlig systemfremd, widerspreche der politischen Tradition der Schweiz und würde die Transparenz nicht mehr gewährleisten. Ausserdem würde das Losverfahren zu schlechter qualifizierten Richtern führen.
Nein zur Pflege-Initiative
Die SVP-Delegierten empfehlen die Pflege-Initiative am 28. November zur Ablehnung. Die Nein-Parole wurde mit 185 Nein- gegen 14 Ja-Stimmen beschlossen.
Die Genfer SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz sagte, gegen die Initiative zu sein, bedeute nicht gegen die Pflegenden zu sein. «Wir sind den Pflegenden wirklich dankbar», unterstrich Amaudruz.
Die Pflege-Initiative würde jedoch einseitig die Verakademisierung vorantreiben und einen weiteren Kostenschub ohne echte Leistungsverbesserung auslösen. Die richtige Antwort sei der Gegenvorschlag, sagte Amaudruz. Dieser bringe eine schnelle Lösung, um die Pflege zu stärken. So könne die Ausbildung von Pflegefachpersonen mit fast einer Milliarde Franken unterstützt werden.
Parmelin zur Lage der Nation
Bundespräsident Guy Parmelin hat sich an der Delegiertenversammlung zur Entwicklung der Wirtschaft nach der Corona-Krise vorsichtig optimistisch geäussert. Die Ampeln stünden eindeutig auf grün, Unsicherheiten könnten den Aufschwung aber gefährden.
In einer «Art Rede zur Lage der Nation» gab Parmelin vor den Delegierten einen Überblick zur wirtschaftlichen Lage. Nach Einschätzung des Wirtschaftsministers hat sich die Schweiz in der Krise als widerstandsfähiger erwiesen, als Prognostiker anfänglich erwartet hätten.
«Die Schweiz hat den Schaden klar begrenzt, gerade wenn wir auf unsere Nachbarn blicken», sagte Parmelin. Der Hauptgrund dafür sei, dass die gesundheitlichen Einschränkungen in der Schweiz wesentlich geringer ausgefallen seien als in anderen Ländern.
Der Volkswirtschaftsminister warnte jedoch vor gewissen unvorhersehbaren Entwicklungen. So seien die bestehenden Kapazitäts- und Lieferprobleme tückisch und die Entwicklung der Zinssätze unvorhersehbar. Diese Faktoren könnten, wenn sie sich in die falsche Richtung entwickelten, den Aufschwung ernsthaft gefährden.
Mehr Unabhängigkeit im Energiebereich
Herausforderungen für die Schweiz sind laut Parmelin die Energieversorgung, die internationale Zusammenarbeit in der Forschung und die Zukunft der Sozialversicherung. Im Energiebereich müsse die Schweiz den Übergang zu mehr Unabhängigkeit schaffen. Dies sei umso notwendiger, als der Bedarf an Strom in Zukunft nicht abnehmen werde.
Die Situation könnte in einigen Jahren kritisch werden. Deshalb müsse jetzt die Versorgungssicherheit von morgen geplant werden. Dazu gehöre eine Reihe von Massnahmen zur Optimierung von Netz, Verbrauch und Produktion. Es dürfe keine Zeit verloren gehen, um im Energiebereich die Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren und die eigenen Kapazitäten zu stärken.
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