Syrien-Reisenden drohen vier Jahre
Ein Geschwisterpaar aus Winterthur soll sich 2014 dem Jihad angeschlossen haben. Jetzt wird Anklage erhoben.

Ende 2014 verschwanden die Geschwister Esra* und Vedad* aus Winterthur in Richtung Syrien. Rund ein Jahr gaben sie kein Lebenszeichen von sich, ihr Vater versuchte sie vergeblich im türkischen Grenzgebiet aufzuspüren. Es gab keine gesicherten Nachrichten über den Verbleib der damals minderjährigen Jugendlichen, ehe sie im Dezember 2015 unvermittelt wieder in die Schweiz zurückkehrten.
Die Winterthurer Jugendanwaltschaft hat nun Anklage gegen die Geschwister erhoben. Die Strafbehörde bestätigt dem TA eine entsprechende Meldung der NZZ: «Die Jugendanwaltschaft Winterthur führte seit Dezember 2015 eine sehr aufwendige und zeitintensive Strafuntersuchung gegen die zwei mittlerweile volljährigen Personen.» Diese sei Anfang Mai abgeschlossen worden. Die Geschwister sollen gegen das Bundesgesetz verstossen haben, in dem ein Verbot der Gruppierungen al-Qaida und Islamischer Staat (IS) sowie verwandter Organisationen verankert ist. Ein zweiter Anklagepunkt lautet auf Unterstützung einer kriminellen Organisation.
Das Bundesstrafgesetz sieht für die Vergehen eine maximale Freiheitsstrafe von fünf Jahren vor. Esra und Vedad waren zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Taten jedoch minderjährig, weshalb nun das Jugendstrafgesetz zum Tragen kommt. Die maximale Strafe liegt demnach bei vier Jahren.
Unklarer Aufenthaltsort
Der Fall hat in der Schweiz Präzedenzcharakter. Die Geschwister waren die ersten namentlich bekannten Minderjährigen, die aus dem Jihad zurückkehrten. Die syrische Ortschaft, in der sich die Geschwister aufhielten, dürfte zur entscheidenden Frage des Prozesses werden. Esra bestätigt, dass sie sich auf syrischem Boden befunden hätten. Genauer: in Dana. Die Kleinstadt im Nordwesten des Landes stand jedoch nicht unter dem Einfluss der Terrorgruppe IS. Mehrere Zeugen widersprechen allerdings dieser Version und nennen Raqqa als Aufenthaltsort der Geschwister. Die Stadt im Norden Syriens galt bis 2017 als Kommandozentrale und wichtigster militärischer Stützpunkt des Islamischen Staats. Vedad soll in Raqqa Koranunterricht genommen haben, über die Tätigkeit seiner Schwester Esra ist weniger bekannt.
Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz wurden die Geschwister getrennt untergebracht und unter die Obhut der Jugendanwaltschaft gestellt. Die Behörden sollten fortan regelmässig beurteilen, ob und wie stark Esra und Vedad noch der radikalen IS-Ideologie anhingen. Im vergangenen Herbst wurde bekannt, dass die Geschwister nicht mehr in Gewahrsam der Behörden seien. Esra, die Jüngere der beiden, ist letzten Juli volljährig geworden. Auf Fotos nach ihrer Rückkehr ist zu erkennen, dass die Frau zumindest zwischenzeitlich das Kopftuch abgelegt hat. Die 18-Jährige posiert zumeist gut gelaunt, nicht selten an der Seite junger Männer. Optisch weist nichts mehr auf eine Radikalisierung hin. Im Ermittlerumfeld bestehen jedoch Zweifel, ob die beiden Winterthurer ihre radikale Gesinnung tatsächlich abgelegt haben.
Esra und Veded hatten sich im Sommer 2014 in kurzer Zeit radikalisiert und gänzlich verändert. Das Mädchen tauchte einige Wochen vor ihrem Verschwinden schwarz verhüllt im Schulunterricht auf. Die Schulleitung schritt ein, informierte Vater und Mutter. Die Eltern waren bis dahin ahnungslos gewesen. Sie wussten nichts davon, dass ihre Tochter offenbar verschleiert zur Schule ging. «Wir waren alle schockiert», sagte eine Verwandte damals dem TA. Niemand in der Familie hege Sympathien für den radikalen Islam. Im Dezember 2014 bestieg Esra mit ihrem Bruder ein Flugzeug nach Istanbul.
*Namen geändert
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