Präsidentin Samia Suluhu HassanTansania fällt in dunkle Zeiten zurück
Die neue Staatschefin bekam erst viel Lob, weil sie Corona nicht mehr leugnete. Nun scheint ihr toleranter Kurs aber beendet.

Für Samia Suluhu Hassan war es nur ein kleiner Stich, für Tansania aber eine grosse Sache. Als sich die Präsidentin des ostafrikanischen Landes Ende Juli gegen Corona impfen liess, gingen die Bilder um die Welt. Es war der Beleg dafür, dass ihr Land nun endlich auch in der Realität angekommen ist.
Nachdem John Magufuli, ihr Vorgänger im Präsidentenamt, Corona lange kleingeredet hatte, die Regierung Kräutergebräu zur Heilung empfohlen und auf die Veröffentlichung von Infektionszahlen verzichtet hatte, starb er im März, aller Wahrscheinlichkeit nach an jener Krankheit, die er lange so gut wie möglich ignoriert hatte.
Der Start war vielversprechend
Hassan wurde seine Nachfolgerin und die einzig wirkliche Staatschefin in Subsahara-Afrika, ihre Kollegin in Äthiopien hat eine weitgehend repräsentative Rolle. Anders Hassan, die sich schnell ans Werk machte. Im ersten halben Jahr ihrer Amtszeit reiste sie nach Kenia, Uganda und Ruanda, um dort ein paar Freundlichkeiten zu hinterlassen, mit denen ihr Vorgänger eher sparsam umgegangen war.
Zu Hause rief sie das tief gespaltene Land zur Versöhnung auf. Das kam gut an. In den sozialen Netzwerken wurde sie bejubelt. Vorgänger Magufuli hatte sich den Beinamen Bulldozer erworben, weil er als Minister grosse Infrastrukturprojekte umsetzen liess, Strassen und Brücken baute. Bulldozer blieb er auch als Präsident, weil er mit der Opposition einen oft brutalen Umgang pflegte, sie ins Gefängnis warf oder verschwinden liess. Journalisten konnten ihre Arbeit nicht mehr machen, die Zivilgesellschaft verstummte.
Die 61-jährige Hassan hingegen entliess zu Beginn ihrer Amtszeit Gefangene und sprach sich für Pressefreiheit aus. Das kam gut an, zu Hause wie im Ausland, eine selbstbewusste muslimische Frau. Sie kommt von der teilautonomen Insel Sansibar, hat in Europa und den USA studiert, später arbeitete sie für Projekte des World Food Programme. Im Jahr 2000 wurde sie ins Regionalparlament gewählt, über die Jahre stieg sie bis zur Vizepräsidentin auf.
Vielen ist sie trotz ihrer langen Karriere nicht besonders aufgefallen: «Ich sehe zwar freundlich aus und schreie nicht, wenn ich rede, aber das Wichtigste ist, dass jeder versteht, was ich sage, und die Dinge erledigt werden», sagte sie einmal in einem Interview. Es ist ein Satz, der nun in einem ganz anderen Licht erscheint.
Autoritäre Tendenzen
Ende Juli wurde Freeman Mbowe, der Vorsitzende der Oppositionspartei Chadema, verhaftet. Die Ankläger werfen ihm Terrorismus vor, er soll Leute dafür bezahlt haben, eine Tankstelle in die Luft zu jagen. «Der Ton hat sich verändert, aber die Taten nicht. Es gibt keinen Zweifel über die Richtung, in die sich das Regime bewegt», sagt Tundu Lissu am Telefon aus Belgien, er war bei der vergangenen Wahl im Herbst 2020 der Kandidat der Opposition, hatte keine Chance, weil Magufuli die Wahl grossflächig fälschen liess.
Hassan mache jetzt da weiter, wo Magufuli aufgehört habe, sagt Lissu. Allein in den vergangenen sieben Tagen seien 41 Anhänger der Opposition verhaftet worden. Vielen ergehe es wie Parteichef Mbowe, der keinen ausreichenden Zugang zu einem Anwalt hat. Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass das Verfahren gegen Mbowe in die Länge gezogen werden könnte. Es wären die Methoden von Magufuli dem Bulldozer. Und nicht die Versöhnung, die Hassan versprochen hatte.
Das wahre Gesicht der Präsidentin
Viele in Tansania fragen sich jetzt, ob Hassan nun ihr wahres Gesicht gezeigt hat. Hassan hatte zwar gerne über Pressefreiheit gesprochen, viele Zeitungen blieben aber verboten, genau wie politische Versammlungen. Die Regierungspartei CCM, die das Land seit mehr als vier Jahrzehnten regiert, sieht sich als Staatspartei, die Opposition ist eher störendes Beiwerk, das in gewissem Umfang noch toleriert wird, um die internationalen Geber und Konzerne nicht allzu sehr zu verschrecken. An dieser Grundkonstellation scheint auch Hassan nicht dringend etwas ändern zu wollen. Oppositionschef Mbowe und einige Mitstreiter wurden verhaftet, als sie ein Forum besuchen wollten, in dem über eine neue Verfassung diskutiert werden sollte.
Allzu viel Proteste aus dem Ausland gab es wegen der Verhaftungen bisher nicht. «Die Reaktionen sind enttäuschend», sagt Tundu Lissu. Europa und die USA hätten schon viel zu spät auf die autoritären Tendenzen Magufulis reagiert, jetzt werde derselbe Fehler erneut begangen. «Von China erwarte ich es gar nicht anders», sagt Lissu, «aber von unseren demokratischen Verbündeten ist ein solches Verhalten unentschuldbar.»
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