Teure Anwalts-Hotline sorgt für Ärger
Anwaltsverbände und Konsumentenschützer kritisieren den Service von Avocatel als teuer und unnötig.

Ein Freiburger Anwalt schreckt mit seiner neuen Firma die Schweizer Juristenbranche auf. Avocatel heisst die Firma. Gründer Olivier Ferraz sagt, sie solle den Zugang zu Anwälten erleichtern. «Damit Recht für alle zugänglich ist!», schreibt er auf seiner Website. Und er wirbt mit einem «sofortigen Kontakt zu einem Rechtsanwalt», einer «direkten Antwort, persönlichen Betreuung oder Weiterleitung».
Damit werde der Kunde getäuscht, warnen Anwaltsverbände. Es entstehe der Eindruck, eine telefonische Rechtsberatung zu erhalten. Dabei biete die Plattform nicht mehr als ein elektronisches Anwaltsverzeichnis. Auch der Konsumentenschutz ist kritisch.
So funktioniert Avocatel: Der Kunde ruft die 0900-Nummer der Firma an. Er wird dann aufgefordert, per Telefontasten seine Sprache zu wählen und seine Postleitzahl einzutippen. Anschliessend baut das System eine Verbindung zu einem Anwalt auf, der sich registriert hat, um in der gewählten Sprache und Region Anrufe zu beantworten.
2 Franken pro Anruf
Ein Anruf kostet den Kunden 2 Franken – unabhängig davon, ob ein Anwalt das Telefon abnimmt oder nicht. Allerdings fällt der Preis erst nach 1 Minute an. Schafft es der Anrufer also, innerhalb 1 Minute seine Daten einzutippen, zu warten und wieder aufzulegen, falls niemand abnimmt, ist der Anruf gratis.
Für die 2 Franken erhält der Kunde allerdings noch keine Beratung. Zwar könnten einfache Fragen unter Umständen direkt am Telefon und ohne Zusatzkosten beantwortet werden, teilt Gründer Ferraz mit. Etwa die Frage, welche Behörde bei einem bestimmten Anliegen kontaktiert werden müsse. In vielen Fällen wird aber nur ein kostenpflichtiges Beratungsgespräch vereinbart. Eine Garantie, dass der Kunde per Telefon sofort eine Antwort erhalte, sei nicht möglich, sagt Ferraz.
Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, hat die Dienstleistung für diese Zeitung analysiert. Aus ihrer Sicht braucht es die Plattform nicht. Es handle sich um eine Dienstleistung, die auch ein Telefonbuch oder ein Anwaltsverzeichnis erfüllen könne – und das gratis. Das Geld könnten sich die Konsumenten sparen.
Die Registrierung kostet Anwälte 900 Franken für ein Jahr. Verbände sehen darin eine unerlaubte Provision.
Nicht nur als überflüssig, sondern als problematisch betrachten gar die Branchenverbände den Service. Der Freiburger Anwaltsverband habe gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet, teilt Ferraz mit. Und die Freiburger Anwaltskommission habe ein Untersuchungsverfahren eröffnet. Der thurgauische Anwaltsverband empfahl seinen Mitgliedern im November, nicht bei Avocatel mitzumachen. Ebenso der Waadtländer Anwaltsverband.
Deren Vorsitzende, Antonella Cereghetti, sprach gegenüber «24 heures» von Verstössen gegen das Berufsethos. Denn für eine einjährige Registrierung verlangt Avocatel von den Anwälten 900 Franken. Sie bezahlten also, um an Kunden zu gelangen, sagte Cereghetti. Das sei eine Art Provisionszahlung, was die Berufsregeln untersagen. Auch der Schweizerische Anwaltsverband hat Bedenken. Das Angebot wecke beim Publikum falsche Erwartungen und schütze ungenügend vor unsorgfältiger Ausführung, teilt Generalsekretär René Rall mit. Man habe dies dem Betreiber bereits mitgeteilt.
Seit Dezember ist der Service in Betrieb. Der Erfolg ist bislang bescheiden. Monatlich würden nur einige wenige Personen anrufen, sagt Ferraz. Und gerade mal fünf Anwälte haben sich registriert, um Anrufe von Avocatel zu beantworten. Dabei hat der Gründer im Oktober vergangenen Jahres rund 12'000 Briefe an Anwälte in der ganzen Schweiz verschickt, um für die Kundenakquise via Avocatel zu werben.
Anwälte würden nicht entschädigt
Der Grund für den bescheidenen Erfolg sieht Ferraz in den negativen Rückmeldungen aus der Branche. Er sei darüber extrem enttäuscht, teilt er mit. Es bestehe kein Zweifel, dass sein Service störe und auf kein Mittel verzichtet werde, um diesen zu «vernichten». Dass es fünf Anwälte gewagt hätten, sich Avocatel anzuschliessen, sei schon enorm angesichts der heftigen Reaktionen der Anwaltsverbände. Andere hätten sich bei ihm gemeldet und angekündigt, dass sie beitreten würden, sobald sich die Situation beruhigt habe und das System funktioniere.
Ferraz weist auch die Kritik an den Kosten von 2 Franken pro Anruf zurück. Der Preis diene einzig dazu, «missbräuchliche» Anrufe abzuhalten, argumentiert er. Das Geld werde nicht an die Anwälte ausgeschüttet. Sie würden nicht entschädigt. Bei den 900 Franken Mitgliedschaftsbeitrag handle es sich zudem nicht um eine Provisionszahlung, um an Kunden zu kommen. Es sei eine Entschädigung, um den Service nutzen zu können. Das sei dasselbe, wie wenn man den Mitgliedsbeitrag eines Anwaltsverbands zahle, um in dessen Register aufgeführt zu werden. Seine Kritiker dürfte dies kaum überzeugen.
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