Film-Highlights der Woche«The Son» zeigt Hugh Jackman als überforderten Vater
«Tori et Lokita» erzählt von Geflüchteten aus Afrika, und Channing Tatum tritt in «Magic Mike’s Last Dance» noch einmal als Stripper auf.

The Son
Drama von Florian Zeller, GB/F 2022, 123 Min.
In seinem Spielfilmdebüt «The Father»(2021) erzählte Florian Zeller ein Drama aus Sicht eines demenzkranken Seniors – logische Brüche inklusive. Dafür gabs zwei Oscars für das beste Drehbuch und den besten Hauptdarsteller (Anthony Hopkins). Nun legt der französisch-schweizerische Regisseur mit «The Son» nach, wobei Zeller wiederum auf ein eigenes Theaterstück zurückgreift.
Es geht um den 17-jährigen Nicholas (Zen McGrath), der nach der Scheidung seiner Eltern die Nähe zu seinem Vater Peter (Hugh Jackman) und dessen neuer Familie sucht. Peter lässt den Sohn darauf in seinem Luxusapartment in Manhattan wohnen, nicht zuletzt wegen Schuldgefühlen. Aber dann beginnt die grosse Zerreissprobe, denn Nicholas leidet an schweren Depressionen.
Das beklemmend und ergreifend gespielte Drama ist ein erstklassiges Wechselbad der Gefühle – mit einem überraschenden Gastauftritt von Anthony Hopkins. (zas)
Abaton, Arthouse Le Paris, Capitol, Houdini
Tori et Lokita
Drama von Jean-Pierre und Luc Dardenne, B/F 2022, 88 Min.
Die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne erzählen seit vierzig Jahren von den Menschen am Rand der Gesellschaft, von Arbeiterinnen in prekären Situationen, von Kleinkriminellen und Immigranten. Dabei bleiben die Brüder immer nah an der Realität, schliesslich kommen sie vom Dokumentarfilm.
In ihrem neuen Film gehts um zwei geflüchtete Minderjährige, Tori (Pablo Schils) und Lokita (Joely Mbundu). Sie haben sich auf dem Weg von Afrika nach Europa kennen gelernt, sind unzertrennlich geworden und im belgischen Lüttich gelandet. Lokita droht jedoch die Abschiebung. Um falsche Papiere zu bekommen, heuert sie auf einer Marihuana-Farm an, die in einer stillgelegten Fabrik versteckt liegt. Lokita hat dafür zu sorgen, dass die Pflanzen in der Indooranlage gedeihen. Das Problem: Während ihres Einsatzes darf sie keinen Kontakt zu Tori aufnehmen. Doch ohne seinen Trost nehmen ihre Panikattacken überhand.
Der Film zeigt, wie sich Tori und Lokita gegen Behörden, Schleuser und Drogenhändler wehren. Bei dem Versuch, sich freizukämpfen, geraten sie jedoch immer tiefer in Schwierigkeiten. Der Film spielt das in einer gnadenlosen, am Ende erschreckenden Konsequenz durch. Hinter der sachlichen Darstellung spürt man aber stets die Menschlichkeit der Dardennes. Grosses Lob gebührt Joely Mbundu und Pablo Schils: Die beiden Laien leisten in den Hauptrollen Grossartiges. (ggs)
Houdini
Magic Mike’s Last Dance
Komödie von Steven Soderbergh, USA/GB 2023, 112 Min.
Man könnte den mittlerweile dritten Teil mit Tänzer und Stripper Mike Lane (Channing Tatum) für ein weiteres Industrieprodukt neben den Magic-Mike-Live-Tanzshows und den Magic-Mike-Ladies-Nights in den Kinos halten. Aber dann würde man dem Witz und der Sexyness dieser Trilogie unrecht tun.
Mike arbeitet als Barkeeper in Miami, doch als sich die vermögende Max (Salma Hayek) einen «albernen Tanz» von ihm wünscht, ist sie derart angetan, dass sie ihm anbietet, eine Liveshow in einem Theater in London zusammenzustellen. Das ist wieder so komisch und kinomässig träumerisch, dass es einfach zum Mitwippen ist. (blu)
Abaton, Arena, Corso
Dynamit am Simplon
Dokumentarfilm von Werner Schweizer, CH 1989, 104 Min.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erhielten deutsche Truppen den Befehl, das Südportal des Simplontunnels in die Luft zu jagen. Hunderte Tonnen Sprengstoff wurden angeliefert – doch kommunistische Partisanen vernichteten das Material in einem nächtlichen Einsatz. Die Nazis mussten ihren Plan aufgeben.
Regisseur Werner Schweizer, der zuvor an «Züri brännt» mitgearbeitet hatte, drehte in den Achtzigern einen Dokfilm über die Hintergründe der Aktion. Er hatte damals das Glück, dass noch einige der Beteiligten am Leben waren – so treten einstige Partisanen, Meldeläuferinnen und Geheimdienstler vor die Kamera, um ihre Version der Ereignisse zu erzählen. Ein hochspannendes Zeitdokument. Der Dokfilm erinnert an eine Episode, die nur noch wenig bekannt ist, und setzt sich dabei kritisch mit der offiziellen, patriotisch gefärbten Darstellung der Geschichte auseinander. (ggs)
Auf Cinefile, Filmingo, Myfilm, Dvfilm etc.
Wittstock I–IV
Kurzdokus von Volker Koepp, DDR 1975–1981, 103 Min.

Spätestens seit «Boyhood» (2014) ist die Kino-Längsschnittstudie wieder auf dem Plan – in der Filmpodium-Reihe zu «filmischen Langzeitbeobachtungen» darf das Drama natürlich nicht fehlen. Noch erfreulicher ist, dass mit der «Wittstock»-Reihe von Volker Koepp über Textilarbeiterinnen in der DDR und danach in der Bundesrepublik eines der anrührendsten Langzeitdoku-Projekte überhaupt gezeigt wird. Am 16. Februar ist der deutsche Regisseur persönlich zu Gast, an dem Abend laufen seine frühen «Wittstock»-Kurzdokus. (blu)
Do, 16.2., 18.15 Uhr, Filmpodium
En place
Satireserie von François Uzan und Jean-Pascal Zadi, F 2022, 6 Folgen
Der Sozialarbeiter und Hobbyrapper Stéphane Blé (Jean-Pascal Zadi) wird nach einem Schlagabtausch mit dem Bürgermeister seiner Banlieue zur Internetberühmtheit und entschliesst sich kurzerhand, in den laufenden Präsidentschaftswahlkampf einzusteigen.
Stéphanes Wahlkampfteam ist schnell gefunden: ein überehrgeiziger Spindoktor, der Frantz Fanon zitiert und hintenrum Stimmen aus dem rechten Lager organisiert, ein paar Vorstadt-Dealer, eine Feministin mit Elite-Uni-Abschluss und Kopftuch.
Was dann folgt, ist ein Wahlkampf, der oft ziemlich überzeichnet wirkt, aber trotzdem viel über Frankreich erzählt. Das liegt vor allem am Hauptdarsteller und Regisseur Jean-Pascal Zadi, der wie seine Figur im Hochhaus-Département Seine-Saint-Denis geboren ist. Eine gut gemachte Politsatire. (SZ)
Ab Mo, 20.1. auf Netflix
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