Querdenker in der KircheTheologe Hans Küng 93-jährig gestorben
Sein Leben lang hat er sich als unbequemer Querdenker in die Kirche eingemischt. Jetzt ist er in Tübingen verstorben.

Der Theologe Hans Küng ist tot, wie das Projekt Weltethos mitteilt. Der Schweizer starb am Dienstag im Alter von 93 Jahren in seinem Haus in Tübingen. «Mit Hans Küng verlieren den charismatischen und menschlich beeindruckenden Gründer der Stiftung und einen visionären Vordenker für eine gerechtere und friedlichere Welt», erklärte Stiftungspräsident Eberhard Stilz gegenüber der AFP.
Küng wurde am 19. März 1928 in Sursee geboren. Er studierte Philosophie und Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. 1954 wurde er zum Priester geweiht. Danach studierte und promovierte er in Paris. Während mehr als dreissig Jahren lehrte Küng an der Eberhard Karls Universität im Tübingen in Baden-Württemberg. Bis 2013 war er Präsident der Stiftung Weltethos.
Das Ziel des Projekts Weltethos, das er 1995 mitgegründete, beschrieb Küng auf dessen Webseite: «Frieden unter den Religionen, Kulturen und Nationen auf der Basis einiger gemeinsamer elementarer ethischer Werte, Massstäbe und Haltungen.»
«Ein überaus schöpferischer Gelehrter und exzellenter Theologe»
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, würdigte Küng als «anerkannten und streitbaren Forscher». «Hans Küng hat es sich nie nehmen lassen, für seine Überzeugungen einzutreten», sagte der Limburger Bischof nach einer Mitteilung der Bischofskonferenz. «Auch wenn es diesbezüglich Spannungen und Konflikte gab, danke ich ihm in dieser Stunde des Abschieds ausdrücklich für sein jahrelanges Engagement als katholischer Theologe in der Vermittlung des Evangeliums.»
Der Rektor der Universität Tübingen, Bernd Engler, ehrte Küng zu dessen Tod als produktiven Forscher, einen überaus schöpferischen Gelehrten und einen exzellenten Theologen. Mit seinem weltweit anerkannten Einsatz für Kirchenreformen und für den Dialog der Religionen habe er massgeblich zum internationalen Ansehen der Universität Tübingen beigetragen.
Die katholische Reformbewegung «Wir sind Kirche» teilte mit, Küngs lebenslange Beharrlichkeit in der Erneuerung der römisch-katholischen Kirche sowie sein Einsatz für die Ökumene und den Dialog der Weltreligionen blieben Ermutigung, Inspiration und Ansporn zugleich. Küng habe wie kein anderer in unserer Zeit die Frage nach der Wahrheit im Christentum wachgerüttelt und wachgehalten, hiess es.
Bischof Gmür: Küng blieb der Kirche treu
Hans Küng sei der Kirche treu geblieben. Das Bistum Basel trauere um einen seiner profiliertesten Priester, erklärte Bischof Felix Gmür auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in einer Stellungnahme.
Hans Küng sei im Tiefsten ein überaus gläubiger Mensch gewesen. Sein ganzes Leben und Schaffen sei im Kern ein grosses Glaubensbekenntnis gewesen, mit allen Höhen und Tiefen, die es gekennzeichnet hätten, schrieb Bischof Gmür.
Küng habe wissen und erkennen wollen, und zwar aus Liebe zu Christus und zur Kirche. Bis ins hohe Alter habe ihn eine enorme Schaffenskraft ausgezeichnet. Er habe die Kirche à jour bringen wollen und seinen Blick geweitet auf die Weltreligionen, weil der Friede unter diesen eine Voraussetzung sei für Frieden in der Welt.
«Wer im Neuen Testament den dogmatisierten Christus sucht, lese Ratzinger, wer den Jesus der Geschichte und der urchristlichen Verkündigung, lese Küng.»
Küng gilt im deutschsprachigen Raum als einer der bekanntesten Kirchenkritiker. Immer wieder kritisierte er dabei Strukturen der katholischen Kirche. So äusserte er Zweifel am Dogma über die Unfehlbarkeit der Päpste. Deswegen wurde ihm Ende 1979 die Lehrerlaubnis entzogen.
Küng lehrte danach als fakultätsunabhängiger Professor weiter in Tübingen und nahm immer wieder Gastprofessuren in aller Welt wahr. Er erhielt mehr als zehn Ehrendoktorwürden und zahlreiche weitere Auszeichnungen, darunter das deutsche «Bundesverdienstkreuz».
In seinem 2012 veröffentlichten Buch «Jesus» schrieb Küng – im Wissen, dass man sein Buch mit den Jesus-Büchern von Papst Benedikt vergleichen würde – im Vorwort: «Wer im Neuen Testament den dogmatisierten Christus sucht, lese Ratzinger, wer den Jesus der Geschichte und der urchristlichen Verkündigung, lese Küng.»
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