Starchirurg wird GemeinderatThierry Carrels grosses Herz schlägt jetzt für Vitznau
Der Vize-Chef der Herzklinik am Zürcher Unispital macht künftig in der Innerschweiz Lokalpolitik. Dafür will der 62-Jährige beruflich kürzertreten.

Es war eine stille Wahl, in jeder Hinsicht: Einer kurzen Mitteilung auf der Website der Gemeinde Vitznau LU ist zu entnehmen, dass der Herzchirurg Thierry Carrel Mitglied des Gemeinderats wird. Der von der FDP aufgestellte Mediziner war der einzige Kandidat für den Sitz einer zurücktretenden Gemeinderätin. Es brauchte also keine Wahl an der Urne.
«Die Mitteilung hat mich überrumpelt», sagt Carrel. «Ich hatte mich als Kandidat gemeldet und bisher nur damit gerechnet, dass ich am 10. Juli zur Wahl antreten muss.»
Er operierte am Herzen eines Bundesrats
Am Tag seiner stillen Wahl feierte Carrel seinen 62. Geburtstag. Er ist einer der profiliertesten und schillerndsten Mediziner der Schweiz. Während fast 25 Jahren leitete er die Klinik für Herzchirurgie am Inselspital in Bern. Dort operierte er den damaligen freisinnigen Bundesrat Hans-Rudolf Merz nach dessen Herzinfarkt.
2004 hatte Carrel im letzten Augenblick das Angebot ausgeschlagen, am Zürcher Unispital die Nachfolge von Marko Turina anzutreten, dem weltbekannten Pionier der Herztransplantation. Erst vor anderthalb Jahren wechselte Carrel dann doch als stellvertretender Leiter der Herzklinik nach Zürich.

Carrel ist in Freiburg aufgewachsen, aber er kennt die Gegend am Vierwaldstättersee seit seiner Kindheit. «Meine Grossmutter väterlicherseits stammt aus Gersau, und ich habe als Kind fast jeden Sommer dort Ferien verbracht.» Vor zehn Jahren kaufte Carrel eine Wohnung in Vitznau. Seinen Hauptwohnsitz verlegte er dann vor zwei Jahren aus der Stadt Bern in das Dorf mit knapp 1500 Einwohnerinnen und Einwohnern. «Der Arbeitsweg nach Zürich wurde damit viel kürzer und angenehmer», sagt Carrel.
Im Gemeinderat wird Carrel am 1. November das Ressort Gesundheit und Soziales übernehmen. Carrel hat dafür bereits erste Pläne: «Vitznau sucht schon lange erfolglos einen Hausarzt,mit neuen Ideen versuchen, die ärztliche Versorgung für die älter werdende Bevölkerung zu verbessern.»
Carrel rechnet mit einem Engagement von 10 bis 15 Prozent im Gemeinderat. Sein berufliches Pensum will er dafür reduzieren. Erst vor anderthalb Jahren wurde er als Stellvertreter seines Berufskollegen Paul Vogt ans Zürcher Unispital geholt. Vogt hatte die Führung der Herzklinik als Krisenmanager übernommen, nachdem der wegen mutmasslicher Verfehlungen in die Schlagzeilen geratene Francesco Maisano gehen musste.
Ausgleich zu komplexen Operationen
Das neue Amt gehört für Carrel zur Lebensplanung. Er geht davon aus, dass das Zürcher Unispital in nächster Zeit die Leitung der Herzklinik definitiv neu besetzt und eine Nachfolge für den heute 65-jährigen Paul Vogt bestimmt.
«Ich stehe selbstverständlich zur Verfügung, wenn ich in der Übergangszeit die Klinik weiter unterstützen kann», sagt Carrel. Aber er ist sich bewusst, dass die Arbeit als Herzchirurg nicht ewig mit der gleichen Intensität möglich ist. «Für mich kommt langsam die Zeit, dem Dorf, das mir so sehr ans Herz gewachsen ist, etwas zurückzugeben.» Das Mandat im Gemeinderat ist für Carrel «so etwas wie ein Ausgleich zu den komplexen Eingriffen, die ich Tag für Tag und immer wieder auch nachts durchführe».
Beim Unispital heisst es, die Klinik für Herzchirurgie sei personell gut aufgestellt. Deshalb könne Carrels reduzierte Verfügbarkeit «gut aufgefangen» werden.

Das Vitznauer Gemeinderatsamt ist nicht Carrels erster Ausflug in die Politik. 2011 kandidierte er auf der Berner FDP-Liste für einen Sitz im Nationalrat. Er warb mit dem Slogan «Ein grosses Herz für Bern». Zur Wahl fehlten Carrel dann aber über 10’000 Stimmen.
Edgar Schuler ist Inlandredaktor und verfasst regelmässig den Newsletter «Der Morgen».
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