
Die Bergbähnler atmen auf. Sie sprechen vom «weissen Gold» und frohlocken, dass der Segen von oben unbezahlbar sei. Nicht Gott hat zu ihnen gesprochen, aber immerhin der Himmel: Es hat geschneit in den Bergen, viel sogar. Dazu hat sich der Franken etwas erholt. Das bringt die Menschen auf die Piste und erregt die Touristiker. Schöne Festtage.
Doch es ist noch nicht lange her, da klönte die ganze Branche: Schneemangel, Frankenschock. Das Billett wurde relativ gesehen viel teurer, Schweizer reisen vermehrt nach Österreich oder Frankreich, und die Ausländer bleiben im Ausland. Das zeigen auch Zahlen: 2004 zählten die Schweizer Skigebiete 29,7 Millionen Gäste, 2016 nur noch 21,2 Millionen. Allein die Bündner Skistationen haben in den letzten sechs Jahren Verluste von 40 Millionen Franken verzeichnet.
«Himmeltraurig geht es uns», sagten daher die Bergbahnbetreiber. «Ihr müsst kreativ denken», antworteten Politiker und Tourismusexperten. Kreativ heisst in den Augen der Schweizer Skistationen: investieren, wachsen, billiger werden. Sie schliessen Skigebiete zusammen, sie bauen und investieren pro Jahr schweizweit zwischen 300 und 500 Millionen Franken – man darf sich fragen, wie sinnvoll es ist, bei sinkender Nachfrage das Angebot auszubauen. Und vor allem: Sie unterbieten sich in den Preisen. Saas-Fee hat letztes Jahr begonnen, seine Jahreskarte für 222 Franken zu verkaufen (statt 1050 Franken). Ein Erfolg, sagen die Walliser, mehr als 100'000 Kunden sprangen auf. Nun hat die Konkurrenz nachgezogen, das Berner Oberland bietet ein ähnliches Ticket an (666 Franken), Skigebiete um Crans-Montana ebenfalls (354 Franken). Auch bei ihnen: ein Erfolg.
Nicht alle Skigebiete gehen so aggressiv zu Werke. Manche verkaufen bei garstigem Wetter billigere Tickets als bei sonnigen, andere wiederum lassen den Gast auf einer App seinen Preiswunsch für die Tageskarte abgeben, die Skistation entscheidet dann, ob sie darauf eingeht. Aber: Am meisten Wirkung hat die gut vermarktete Tiefpreisstrategie.
Was sind die Folgen? Im besten Fall profitiert eine ganze Region davon: die Hotellerie, das Sportgeschäft und der Bäcker, der die Restaurants beliefert. Im weniger guten Fall verpufft erstens irgendwann der Preiseffekt, und zweitens schadet es der ganzen Branche. Längst machen nicht alle Skigebiete bei den Rabatten mit, insgeheim fluchen viele über Orte wie Saas-Fee: Das sei nicht nachhaltig, sondern ruinös, sagen auch Alpenforscher wie Werner Bätzing.
In einer Studie der Hochschule Luzern steht: Bei einem Preisrabatt von durchschnittlich 15 Prozent hat die Branche rein gar nichts davon, wenn die Skifahrertage um 20 Prozent zunehmen würden. Die Gesamteinnahmen blieben gleich gross. Nur: Der Trend geht bereits heute in die andere Richtung, die Skifahrertage nehmen ab.
Der Weg zurück
Eine noch viel grössere Gefahr lauert in der Zukunft. Die Tiefpreisstrategie bringt zwar heute Leute ins Skigebiet, entwertet aber morgen das Produkt Skifahren. Das ist tödlich für eine Branche, in der die Loyalität zum Skigebiet bereits gegen Null geht. Ob Davos, Wengen oder Zermatt ist für die Mehrheit nicht mehr entscheidend. Hauptsache, es hat Schnee.
Wir wissen aus dem Journalismus, was die Folgen von Dumping sein können: Lange boten Medienhäuser sämtliche Online-Inhalte gratis an, selbst wenn sie aus Qualitätszeitungen stammten. Nun haben Zeitungen gemerkt, dass das wirtschaftlich mässig nachhaltig ist. Sie versuchen sich am Weg zurück. Das ist schwer, die Gratiskultur ist in den Köpfen, niemand will mehr für Informationen zahlen.
Entgegen vieler Prognosen sind bisher kaum Skigebiete in Konkurs gegangen. Auch weil Gemeinden, Kantone und der Bund ihnen mit Krediten oder Steuerbefreiungen helfen. Ganze Täler hängen stark am Skilift, er ist «too big to fail» geworden. Da irritiert es, wenn Skigebiete die Finanzhilfe mit Rabatten weitergeben, Konkurrenzkampf mit Steuergeldern machen.
Die Skigebiete erklären ihre Preisstrategie mit freier Marktwirtschaft. Nun, diese lässt Firmen auch einmal in Konkurs gehen. Erinnern wir uns in ein paar Jahren daran.
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Video: Schneechaos im Tessin nach Weihnachten
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Tiefpreis am Skilift – bringts das wirklich?
Mit 222 Franken fürs Saisonabo machte Saas Fee den Anfang. Andere zogen nach. Fragt sich, wie lange der Erfolg anhält.