Tieraktivisten nehmen Hochsitze ins Visier
Seit Anfang Jahr werden im Kanton Zürich auffallend viele Hochsitze zerstört. Die Spur führt zu radikalen Tierschützern.

Der Vandalenakt Nummer 9 ereignete sich vor einer Woche in Oberengstringen. Ueli Mühlebach, stellvertretender Wildhüter, war am Samstagmorgen im Wald unterwegs, als er den demolierten Hochsitz entdeckte. Die dicke Kette, die den Jägerturm am Baum befestigt hielt, war mit einem Bolzenschneider durchtrennt, das Holzkonstrukt lag in der Wiese. «Die Jagdgegner, wer soll es denn sonst gewesen sein?», sagt Mühlebach. Ein Bekennerschreiben fehlte.
Acht weitere Vandalenakte gegen Hochsitze wurden dieses Jahr bereits verübt, wie die Kantonspolizei Zürich auf Anfrage bekannt gibt. Christian Jaques, Präsident des Vereins Jagd Zürich, spricht von einer eindeutigen Zunahme.
Der folgenschwerste Vandalenakt gegen Hochsitze dieses Jahr ereignete sich auf dem Winterthurer Eschenberg: Gleich acht Türme wurden zerstört, in derselben Nacht wie in Oberengstringen. Und es gibt eine weitere Parallele: Bis jetzt hat sich niemand zu den Zerstörungen bekannt. Das ist eher ungewöhnlich: In vier der sieben anderen Hochsitz-Attacken existiert ein Bekennerschreiben der Animal Liberation Front (ALF) – eine international agierende, militante Tierrechtsorganisation.
«Jagdtürme fallen wie Herbstblätter»
Während die Polizei im Fall Eschenberg weiter ermittelt, wurde kürzlich ein Eintrag auf Barrikade.info veröffentlicht: «Jagdtürme fallen wie Herbstblätter.» Das offene Portal zählt zu einem internationalen Netzwerk linksradikaler Medien, die gewaltsame Aktionen gegen Jagdinstitutionen, Schlachthöfe oder Metzgereien gutheissen.
Als sich im Februar und März in Oberwinterthur gleich mehrere Hochsitz-Attacken ereigneten, bekannten sich anonyme ALF-Mitglieder über dieses Internetportal zur Tat: «Wir sind zur Tat geschritten und haben in einer romantischen Vollmondnacht in Winterthur ein paar Hochsitze kaputt gemacht.» Im Juli erschien – ebenfalls auf Barrikade.info – eine Anleitung zur Sabotage an Hochsitzen.
Treffpunkt im Kreis 4
Bei der ALF handelt es sich um keine geschlossene Gruppierung, sondern um ein loses Netzwerk von Personen aus der radikalen Tierschützer- und Veganerszene. Einmal pro Monat zum Beispiel findet das Vegan Café im Zürcher Kreis 4 statt: ein Treffpunkt für linksautonome Tierrechtler und -befreier. Ihr Ziel: «Tiere aus den Klauen der menschlichen Ausbeute» zu befreien – aus Zirkussen, Zoos, Ställen oder den Labors der Pharmaindustrie. Eine Anfrage des «Tages-Anzeigers» an die Tierrechtsgruppe Zürich, die das Vegan Café organisiert, blieb unbeantwortet.
Die rege Aktivität radikaler Tierrechtler und die gute internationale Vernetzung zeigen sich auf Directaction.info. Auf der ebenfalls offenen Plattform werden fast täglich Vandalenakte veröffentlicht, zumeist mit Foto, Datum und Ort der Aktion. Eine überdurchschnittlich hohe Aktivität ist etwa in Frankreich, England oder Schweden zu verzeichnen. Auch die Schweiz taucht jüngst oft auf. Allein für 2018 sind zwölf Vandalenakte gelistet.
«Wir verfolgen die Entwicklung der Bedrohungslage stetig und beschaffen unter anderem Informationen zu gewalttätig-extremistischen Aktivitäten.»
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gibt auf Anfrage bekannt, dass es seit Anfang Jahr zu einer Zunahme von Gewalttaten aus der Tierschützer- oder Antispeziesismus-Szene gekommen sei. «Wir verfolgen die Entwicklung der Bedrohungslage stetig und beschaffen unter anderem Informationen zu gewalttätig-extremistischen Aktivitäten», sagt Sprecherin Carolina Bohren. Zu einzelnen Gruppierungen gibt der NDB keine Auskunft.
Gemässigte Tierrechtler empfinden die Hochsitz-Attacken als kontraproduktiv. Die Tierpartei Schweiz (TPS) distanziert sich auf Facebook von solchen Aktionen: «Wir kämpfen mit fairen Mitteln.» Sie fürchtet eine tiefere Akzeptanz für ihre Volksinitiative «Wildhüter statt Jäger», die wohl im nächsten Jahr im Kanton Zürich zur Abstimmung kommt.
Die TPS spekuliert gar, die Jäger könnten selbst hinter den Anschlägen stecken, um Tierschützer in ein schlechtes Licht zu rücken: «Den Initianten und der Initiative kann man mit solchen Aktionen am besten schaden, warum sollen Tierschützer ein Interesse haben, einem Tierschutzanliegen schaden zu wollen.» Christian Jaques, Präsident des Vereins Jagd Zürich, bezeichnet diese Spekulation als «absurd».
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