Tilllate & Co: Nach der Party folgt der Kater
Der Boom der Ausgangsportale ist vorbei. Tilllate & Co. läuft das junge Publikum davon. Gegen die übermächtige Konkurrenz von sozialen Netzwerken wie Facebook scheinen die Fotoplattformen machtlos.
Lange Zeit florierten die Partyportale Tilllate.com, Usgang.ch und Partyguide.ch – jährliche Wachstumsraten von 50 und 100 Prozent waren die Regel. Mit der verblüffend einfachen Geschäftsidee, Partygänger von freiwilligen Hobbyfotografen knipsen zu lassen und die Bilder danach ins Internet zu stellen, setzten die Jungunternehmen Millionen um. Doch nun verblasst der Stern der Ausgangsportale so schnell, wie er aufgegangen ist: Das jugendliche Stammpublikum läuft in Scharen zu Community-Plattformen wie Facebook über.
Nicht zuletzt musste der einstige Überflieger Tilllate Federn lassen: Verzeichnete die Nightlife-Plattform zu Spitzenzeiten 75 Millionen Seitenaufrufe im Monat, waren es im November 2008 noch 35 Millionen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat hat das Online-Fotoalbum ein Fünftel seiner Websitebesucher eingebüsst. Beim Adliswiler Start-up-Unternehmen kam es in diesem Jahr erstmals auch zu Kündigungen. Tilllate-Gründer Markus Popp räumt denn auch ein, dass seine Firma den «unheimlichen Wachstumsschub» der vergangenen Jahre erst einmal «verdauen und einige Fehler aus dieser Zeit korrigieren» musste.
Nur Usgang.ch kann etwas zulegen
Auch die Expansionsstrategie von Tilllate stockt: Das Nightlife-Portal hat zwar europaweit die Marktführerschaft – es ist in 12 Ländern vertreten und erreicht ein Millionenpublikum – doch die Werbegelder fliessen noch nicht wie in der Schweiz. Popp hofft, dass er in einigen Ländern zumindest die operativen Kosten mit den Werbeeinnahmen decken kann. Dies ist auch nötig: Denn bislang wurden die Investitionen im Ausland mit den Überschüssen finanziert, die im Schweizer Markt erzielt wurden.
Doch nicht nur Tilllate leidet unter Besucherrückgang: Bei Partyguide.ch, punkto Reichweite die Nummer 2 unter den Partyportalen, sackte die Anzahl Seitenaufrufe in den letzten 9 Monaten um rund ein Drittel ein – auch die Reichweite (Unique Clients) ist rückläufig. Nicht viel besser läuft es auch dem Party- und People-Portal LautundSpitz.ch. Einzig das kleinere Portal Usgang.ch konnte sein Publikum im Vorjahresvergleich ein wenig ausbauen.
Medienhäuser stiegen auf den Partyzug auf
Pikant: Just in jener Phase, in der die Portale Abnützungserscheinungen zeigen, sind die grossen Medienhäuser auf den Partyzug aufgestiegen. Im Herbst des letzten Jahres hat sich Tamedia, der auch Redaktion Tamedia angehört, am Schweizer Tilllate-Portal zu 15 Prozent beteiligt. Im Mai 2008 stockte sie Ihre Anteile auf 35 Prozent auf. Im Gegenzug übernahm im September 2008 der Axel Springer-Verlag die Partyportale Usgang.ch und Partyguide.ch.
Laut Urs Gasser, Professor der Universität St.Gallen und Verfasser des Buches «Generation Internet», kommt der Einstieg der Verlage zur Unzeit: «Ich wage zu behaupten, dass die Medienhäuser aufs falsche Pferd gesetzt haben.» Gasser ist skeptisch, dass die Fotoplattformen in der heutigen Form überhaupt überleben werden: «Die Partyportale sind stark kommerzialisiert und werden kaum mehr von der Community betrieben. Das macht sie für die jungen Nutzer uninteressant.» Letztlich sei es interessanter auf Facebook oder StudiVZ Bilder auszutauschen, da dort mehr Interaktion in einem festen Beziehungsrahmen stattfinde.
Auch Partyveranstalter finden die Partyportale nicht mehr wichtig. «Sie haben lange davon gelebt, dass sie in gewisser Weise Opinion Leader waren: Tilllate und Co. sagten, wo eine tolle Party stattfinden wird und dokumentierten dies mit Bildern», sagt Michel Pernet von der Agentur Blofeld Entertainment. Heute jedoch reiche dies nicht mehr aus. Was sich die Partygänger wünschten, sei mehr Orientierung: «Gefragt sind heute starke Inhalte, Partyportale müssen sich deshalb eine Redaktion zulegen.»
Integration in Soziale Netzwerke als Ausweg
Facebook und andere Social Networking-Plattformen bloss als Totengräber der Partyportale zu sehen, wäre allerdings zu einfach: «Wir sehen Facebook nicht als Gefahr, sondern vor allem als Chance», sagt Markus Popp von Tilllate. Sein Unternehmen berichtet monatlich über fast 10'000 Events und stellt rund eine Million Fotos ins Netz. Entscheidend sei, die Fotos mit der sozialen Interaktion von Facebook zu verknüpfen: «Ob jemand auf Facebook ein neues Profilbild gesetzt hat ist no news; ob jemand eine gute Party am Vorabend hatte, ist wesentlich spannender.»
Auch laut HSG-Professor Urs Gasser hängt das Überleben der Fotoplattformen davon ab, ob sie es schaffen, ihre Inhalte auf Plattformen wie Facebook zu transformieren. Nicht zuletzt auch die Medienhäuser stehen in der Pflicht: «Die Verlage täten gut daran, ihre Portale in dieser Hinsicht weiterzuentwickeln, statt weiter etablierte Plattformen zu kaufen.» Nur so könnten sie mit dem schnelllebigen Online-Geschäft Schritt halten.
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