Töten die USA aufgrund von Handydaten aus Deutschland?
Eine bisher unbekannte Zusammenarbeit: Der deutsche Geheimdienst liefert den USA seit Jahren Handynummern von Terrorverdächtigen. Anhand von diesen sollen die USA Drohnenangriffe fliegen.
Am Wochenende haben deutsche Medien enthüllt, dass die Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) und den US-amerikanischen Geheimdiensten noch weiter geht, als bisher bekannt. Für Wirbel sorgt in Deutschland vor allem, dass der BND seit rund zehn Jahren Handynummern von Terrorverdächtigen in die USA liefert. Anhand dieser Daten, so die Vermutung der «Süddeutschen Zeitung» und des Norddeutschen Rundfunks (NDR), ordnen die USA Drohnenangriffe an und spüren die zugehörigen Ziele auch gleich auf.
Die Drohnenangriffe der USA treffen immer wieder Unschuldige und teilweise auch schlicht die Falschen, wenn beispielsweise ein Verdächtiger sein Mobiltelefon einem Bekannten weitergibt. Hinzu kommt das grundlegende Problem, dass, wer verdächtig ist, nicht unbedingt schuldig ist. Vor diesem Hintergrund ist die Weitergabe der Handynummern höchst heikel. Der BND bestätigt, dass Handynummern bereits seit 2003 oder 2004 weitergegeben werden. Eine bestimmte gesetzliche Grundlage oder einen besonderen Beschluss gab es dazu nicht, obwohl die Praxis sogar innerhalb des BND umstritten sei, wie die «Süddeutsche» und der NDR berichten.
Zielgenaue Ortung laut BND unmöglich
Konkret nennt die «Süddeutsche» den Fall des deutschen Staatsangehörigen Bünyamin E., der 2010 in Waziristan durch einen Drohnenangriff getötet wurde. Dabei soll die Weitergabe seiner Handynummern und derer von Freunden von Deutschland an die USA die entscheidende Rolle gespielt haben. Innerhalb des BND soll es aber «erheblichen Widerstand» gegen die Weitergabe der Daten geben. «Ich gebe den Amerikanern in solchen Fällen nichts mehr», zitiert die «Süddeutsche» einen «hochrangigen Sicherheitsbeamten». So seien vor einiger Zeit die Nummern von Islamisten, die in einem Internetcafé Pläne besprochen hätten, nicht an die US-Behörden weitergereicht worden – aus Angst, die Daten könnten für Hinrichtungen benutzt werden.
Während der BND die Weitergabe der Nummern bestätigt, stellt er in Abrede, dass anhand der Nummern Terrorverdächtige lokalisiert werden. Die Nummern seien «für eine zielgenaue Lokalisierung nicht geeignet». «Der Spiegel» berichtet allerdings, der BND würde nicht nur Handynummern, sondern ganze Sätze von Mobilfunkdaten aus Afghanistan weitergeben, und zwar nur mit wenigen Minuten Verzögerung. Experten vermuten, dass solche Daten beim Einsatz von Kampfdrohnen zum Beispiel in Afghanistan, Pakistan oder Somalia zur gezielten Tötung durchaus genutzt werden können. Der BND habe gegenüber dem Magazin erklärt: «Die Hilfe bei der Orientierung für militärische Operationen kann nicht ausgeschlossen werden.»
Deutschland als Spionageziel
Zugleich berichtete der «Spiegel» am Wochenende unter Berufung auf ein Papier des NSA-Enthüllers Edward Snowden, dass der US-Geheimdienst NSA Deutschland und die EU intern ausdrücklich als Spionageziele aufführt. Auf einer Liste mit den Prioritäten des Geheimdiensts sind laut dem Bericht Russland, China, der Iran, Pakistan, Nordkorea und Afghanistan mit der höchsten Priorität 1 aufgeführt. Deutschland hingegen soll wie Frankreich und Japan im Mittelfeld liegen, vor etwa Spanien und Italien. Die meisten europäischen Länder wie Finnland, Kroatien oder Dänemark sind für die NSA hingegen kaum von Interesse.
Wie laut «Spiegel» aus dem Papier hervorgeht, interessiert sich die NSA im Falle von Deutschland vor allem für die Bereiche «Aussenpolitische Ziele», «Internationaler Handel» sowie «Wirtschaftliche Stabilität». Stimmen die Vorwürfe, muss Deutschland zur Kenntnis nehmen, dass es trotz umfangreicher Datenlieferungen an die Amerikaner und freundschaftlichen Verhältnisses zwischen den beiden Nationen von den USA umfangreich ausspioniert wird.
sda/AFP/mw
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