Wegen hoher Corona-Fallzahlen Top-Führungskräfte zieht es nicht mehr in die Schweiz
Für Schweizer Firmen wird es zunehmend schwierig, hochkarätige Manager aus dem Ausland anzuziehen. Grund dafür ist die Corona-Krise. Das dürfte auch langfristig Folgen haben.

Jahrzehntelang war es ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Schweizer Wirtschaft: Das Land war für junge Talente und Topmanager auf der ganzen Welt attraktiv. Die internationalen Kaderleute schätzen neben ihren beruflichen Aufgaben die Stabilität, vielfältige Freizeitmöglichkeiten und die vergleichsweise tiefen Steuern. Doch nun droht dieses Modell ins Wanken zu geraten.
«Im Moment können wir nicht viele Kader-Leute in die Schweiz locken», sagt Headhunter Oliver Schiltz. Er ist Schweiz-Chef der weltweit tätigen Executive-Search-Firma Heidrick & Struggles. Grund für die Zurückhaltung seien auch die im Vergleich zu anderen Ländern hohen Ansteckungsraten. «Wenn die Schweizer denken, das bekommt keiner mit, dann kann ich ihnen sagen – so ist es nicht», sagt Schiltz. «Wir werden von vielen ein bisschen belächelt, und es wird kritisch gesehen, wie die Schweiz zuletzt gehandelt hat.» Kunden in den USA hätten sich in Telefonaten überrascht gezeigt, wie die Schweiz als Land mit guter Infrastruktur und gutem Gesundheitssystem in die Bredouille geraten sei. «Das Land wird dadurch zumindest kurzfristig weniger attraktiv», sagt Schiltz.
Viele Grosskonzerne werden von ausländischen Chefs geführt …
Aktuell hat fast die Hälfte der 50 grössten börsenotierten Schweizer Firmen (SMI Expanded) Firmenchefs und -chefinnen mit ausländischen Wurzeln. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Ausland: Weltweit liegt der Anteil ausländischer Firmenchefs bei 21 Prozent, wie eine Erhebung von Heidrick & Struggles zeigt.
Das bestätigt auch ein Blick in die Chefetagen der grossen Schweizer Unternehmen: Bei den Pharmakonzernen Roche und Novartis sind sowohl Severin Schwan als auch Vasant Narasimhan keine gebürtigen Schweizer. Nestlé-Chef Mark Schneider ist deutsch-amerikanischer Doppelbürger. Und bei den Banken hat die UBS mit Ralph Hamers seit kurzem einen niederländischen Firmenchef. Lediglich Thomas Gottstein an der Spitze der Credit Suisse stammt aus dem Land – nachdem seine beiden Vorgänger gebürtige Nichtschweizer waren.
… aber künftig könnte es mehr Schweizer und Schweizerinnen geben
Längerfristig könnte der coronabedingte Trend dazu führen, dass künftig wieder vermehrt Schweizer und Schweizerinnen auf den Chefsesseln zu finden sind. Der Anteil ausländischer Firmenchefs und -chefinnen könnte innerhalb der kommenden zehn Jahre von aktuell 46 Prozent auf 30 bis 35 Prozent sinken, so Schiltz. Grund dafür ist jedoch nicht nur die Corona-Krise. Änderungen dürfte auch das voraussichtlich ab 2022 geltende neue Aktienrecht bringen, das eine Frauenquote von mindestens 20 Prozent in Geschäftsleitungen vorsieht. Hier dürften nach Einschätzung von Schiltz verstärkt Schweizerinnen zum Zug kommen.
Was müssen aufstrebende Schweizer Managerinnen und Manager mitbringen, um den Sprung an die Spitze zu schaffen? Vor allem internationale Erfahrung, sagt Schiltz. «Die Leute müssen motiviert werden, damit sie ins Ausland gehen. Es kann nicht sein, dass man 20 Jahre im Headquarter in Basel oder Zürich verbringt und dann einen zehntägigen Englischkurs in Cambridge macht», so Schiltz.
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