Topdiplomaten häufen Ferienberge an
Seit 2014 hat das Aussendepartement ein volles Jahr Ferien an seine Missionschefs ausbezahlt. Botschafter verdienen auf diese Weise gerne Geld hinzu.

Vor einem Job bei Ignazio Cassis müsste man als Berufsberater dringend warnen. Nirgendwo ist die Arbeitslast grösser, nirgendwo ist es schwieriger, in den verdienten Erholungsurlaub zu fahren, als im Aussendepartement des FDP-Bundesrats. Jedenfalls könnte zu diesem Schluss kommen, wer die einschlägigen Statistiken konsultiert.
Seit Jahren liegt das Aussendepartement (EDA) bei den unbezogenen Ferientagen innerhalb der Bundesverwaltung konkurrenzlos an der Spitze. Ein durchschnittlicher Vollzeitmitarbeiter des EDA kam per Ende 2017 (für 2018 liegen noch keine konsolidierten Daten vor) auf ein Guthaben von 16,5 Tagen – doppelt so viel wie seine Kollegen aus dem Finanzdepartement, die im Mittel über 8,2 Tage verfügen. Vor einigen Jahren lag dieser Wert im EDA sogar noch bedeutend höher: Mit 27,3 Tagen war 2011 der Höchststand erreicht. Am anderen Ende der Skala, im Finanzdepartement, betrug der Schnitt damals gerade mal 9 Tage.
Seither ist es dem Aussendepartement zwar gelungen, die Ansprüche zu reduzieren. Doch vor allem bei höheren Kadern der diplomatischen Vertretungen kommt es noch immer vor, dass sie bis zur Pensionierung oder einem Postenwechsel regelrechte Ferienberge anhäufen. So hatte sich der Bundesrat an seiner Sitzung von Ende Februar mit dem Fall eines Missionschefs zu beschäftigen, auf dessen Konto 110 Ferientage lagerten. Das EDA bestätigt entsprechende Informationen dieser Redaktion. Nähere Angaben zum betreffenden Kadermann liefert das Departement aus Gründen des Personenschutzes nicht. Bestätigt wird indessen auch, dass es in der Vergangenheit noch weit krassere Fälle gab. Vor nicht allzu langer Zeit brachte es ein anderer Missionschef auf 340 überzählige Tage.
«Obszön hohe Ferienguthaben»
Den Steuerzahler kommt die augenscheinliche Arbeitswut der Botschafter mitunter teuer zu stehen. In Fällen nämlich, wo ein Ferienabbau nicht mehr rechtzeitig gelingt, wird das überschüssige Guthaben ausbezahlt. Laut Angaben des EDA wurden in den letzten 5 Jahren total 264 Ferientage an insgesamt 12 Missionschefinnen und -chefs in bar vergütet: gesamthaft also das Arbeitspensum von gut 52 Wochen beziehungsweise eines vollen Jahres.
Zu welchem Gesamtbetrag sich die Entschädigungen summierten, ist nicht bekannt, lässt sich aber in etwa abschätzen. Missionschefs, auf der höchsten Stufe der diplomatischen Karriereleiter stehend, sind in den Lohnklassen 32 bis 34 eingereiht. Somit verdienen sie in der Regel zwischen 220000 und 260000 Franken, zuweilen dank Sonderzulagen noch mehr. In dieser Grössenordnung dürfte sich auch die ausbezahlte Summe bewegen.

Beobachter konstatieren dabei eine gewisse Systematik. Laut einer EDA-internen Quelle ist es durchaus üblich, dass sich Botschafter bis zum Gang in die Rente «obszön hohe Ferienguthaben» aufbauen. Das sei gängige Methode, um vor der Pension noch etwas zusätzliches Geld zu verdienen. Die Auszahlung bedürfe zwar einer Genehmigung durch das Finanzdepartement, doch werde diese kaum je verweigert. Hinzu komme, dass sich Botschafter oft für «unverzichtbar» hielten und ihre Residenz nur selten für Ferien verlassen wollten. Eine andere Quelle weist darauf hin, dass das EDA seinen Diplomaten grosszügige Abrechnungen erlaube. Wer beispielsweise ferienhalber in die Schweiz reise und sich hierbei mit Personal aus der EDA-Zentrale treffe, könne diese «Dienstgespräche» als Arbeitstage verbuchen.
Das EDA seinerseits erklärt die Ferienberge mit den speziellen Lebensumständen der Missionschefs. Sie würden alle vier Jahre an einen neuen Einsatzort versetzt und müssten auf verschiedene Faktoren achten: auf eine möglichst kurze Vakanz bis zum Amtsantritt des Nachfolgers, aber auch auf den Schulbeginn der Kinder und anderes. «Dies macht es für die Missionschefinnen und -chefs schwierig, Ferien zu planen und zu beziehen», sagt Pierre-Alain Eltschinger, Sprecher des EDA.
EDA fördert den Abbau von Feriensaldi
Ausbezahlt würden die überschüssigen Guthaben «nur im Ausnahmefall», hält Eltschinger fest. Das EDA verfolge seit 2016 eine «verstärkte Politik zum Abbau hoher Feriensaldi». Dies gilt offenbar auch für den eingangs erwähnten aktuellen Fall mit den 110 nicht bezogenen Tagen: Die betroffene Person erhalte kein Geld, sondern müsse freinehmen, so Eltschinger. In dem etwas älteren Fall mit den 340 Ferientagen sei zumindest nur ein Teil mit Geld vergütet worden. Die ins neue Jahr übertragenen Ferienansprüche seien seit 2016 sukzessive zurückgegangen. Eltschinger verspricht, dass das EDA diese Politik «konsequent fortsetzen» werde.
Noch schiessen einige Topbeamte obenaus, noch liegt das EDA an der Spitze der Departemente. Immerhin ist das Thema in Cassis' Departement gemäss Eltschinger zur Chefsache erklärt worden: Der Vorsteher des EDA lege «grosses Gewicht auf die Reduktion der Feriensaldi auf allen Stufen».
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