
Der Tweet war ein Aufreger der Extraklasse: Kaum hatte sich der mutmassliche Mädchenhändler Jeffrey Epstein in seiner New Yorker Gefängniszelle am vergangenen Samstag entleibt, verdächtigte der konservative Komiker Terrence Williams Bill Clinton: «Jeffrey Epstein hatte Informationen über Bill Clinton & jetzt ist er tot», twitterte er.
Der absurde Tweet wurde wenig später von Donald Trump aufgegriffen, der Retweet des Präsidenten erreichte 63 Millionen Follower. Empört erklärten daraufhin Trumps zahlreiche Feinde, er habe seinen Vorgänger des Mordes bezichtigt. Wie immer bei seinen Vorstössen ins Reich der Paranoiker focht es Trump nicht an: Williams sei ein «hoch angesehener Kommentator», und überhaupt habe es sich ja um einen Retweet gehandelt. «Das war nicht von mir», so Trump.
Diese Masche beherrscht der oberste Verschwörungstheoretiker perfekt: Trump setzt bizarre Retweets in die Welt, will jedoch keinerlei Verantwortung dafür übernehmen. Als er 2016 skandalöse, weil falsche Zahlen über die von Afroamerikanern an weissen Amerikanern verübten Morde twitterte, wies er danach jede Schuld entrüstet von sich. «Ich untersuche doch nicht jede Statistik, und es war doch nur ein Retweet – das kam doch nicht von mir!», verteidigte sich der Präsidentschaftskandidat bei einem Interview mit Fox News.
Doch Trump hantiert mit Verschwörungstheorien aus einem einfachen Grund: Ihre Verbreitung hilft ihm. Weil er einem verunsicherten Publikum in einer Ära fiebriger Fantasien pikante und brisante Theorien mit angeblichem Wahrheitsgehalt servierte, brachte sich Trump ins Gespräch. Gemäss seiner Devise, jede Publizität, also auch schlechte, sei letztendlich gute Publizität, bedient er die paranoide Befindlichkeit eines Segments der amerikanischen Öffentlichkeit.
War Obama kein legitimer Präsident?
Schon 1964 hatte der Politologe Richard Hofstadter den «paranoiden Stil in der amerikanischen Politik» analysiert. Niemand aber zelebriert diesen Stil besser als Donald Trump. Womöglich wäre Trump niemals ins Weisse Haus eingezogen, wenn er nicht seit 2011 massgeblich die «Birther»-Verschwörungstheorie gestreut hätte. Ihr zufolge war Barack Obama kein legitimer Präsident, da er nicht wie von der US-Verfassung vorgeschrieben im Lande geboren war.
Trump traf damit einen Nerv: Die Wahl des ersten afroamerikanischen Präsidenten hatte mancherorts tiefe Ängste geschürt, unter anderem signalisierte sie weitreichende soziale und demografische Veränderungen. Indem Trump suggerierte, man habe verfassungswidrig einen vielleicht in Afrika geborenen Präsidenten im Weissen Haus installiert, versammelte er eine treue Anhängerschaft hinter sich. Auch als Obamas Geburtsurkunde klar seinen Geburtsort auf Hawaii anzeigte, liess Trump nicht locker.
Die Sache mit dem Klimawandel
Warum sollte er auch? Je mehr er an den Haaren herbeigezogenen Unsinn auftischte, desto erfolgreicher gedieh seine politische Karriere. So behauptete er etwa, die Clintons seien in den Tod des Rechtsbeistands und Hillary-Vertrauten Vince Foster verwickelt gewesen. Foster hatte 1993 Selbstmord begangen, 2016 aber wärmte Trump genüsslich alte Gerüchte auf, die sich um Fosters Tod rankten. Es sei «verdächtig» zugegangen, behauptete er.
Mal bezichtigte der Fantast im Wahlkampf 2016 den Vater seines republikanischen Konkurrenten Ted Cruz, am Mord an John F. Kennedy mitgewirkt zu haben, mal witterte er hinter dem Ableben des konservativen Obersten Bundesrichters Antonin Scalia ein Komplott. Trump sah US-Muslime verzückt in den Strassen des Staates New Jersey nach 9/11 feiern, er machte Impfungen für Autismus verantwortlich und Windparks für Krebs. Klimawandel sei ein von China ausgeheckter «Schwindel», erklärte er.
Die Erfindung der Mafia
Millionen illegaler Migranten hätten 2016 widerrechtlich gegen ihn gestimmt, Barack Obama habe seine Telefone «abhören» lassen, die von Asbest ausgehende Gefahr sei eine Erfindung der Mafia: Je verrückter die Ausgeburten seiner Vorstellungskraft wurden, desto eindrucksvoller rollte Trump die politische Konkurrenz auf. Und wurde es seinen Kritikern zu bunt, sagte er, die Sache stamme nicht von ihm. Er kolportiere lediglich, was andere Leute behaupteten.
Dass er wegen seines Amtes eine besondere Verantwortung trage, weist Trump entschieden von sich. Und weil es so wunderbar funktioniert, wird er auch künftig nicht von der Verbreitung von Verschwörungstheorien lassen.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch
Trumps Erfolg ist ohne Verschwörungstheorien undenkbar
Weil er wie im Fall Epstein krude Theorien befeuert, wird der US-Präsident scharf kritisiert. Doch mit seiner Masche trifft er einen Nerv.