Trumps Mauermärchen von El Paso
Im texanischen El Paso warb Donald Trump gestern Abend für seine Mauer. Die Stadt will davon nichts wissen.
Da war er also, in einer Stadt, die ihn nicht wirklich haben wollte. Dass Donald Trump in der texanischen Grenzstadt El Paso bei der Präsidentschaftswahl 2016 nur 26 Prozent der Stimmen auf sich zog, hielt den Präsidenten freilich nicht von einem Besuch ab: Am Montagabend sprach er in El Paso, dessen Bevölkerung zu vier Fünfteln aus Latinos besteht, vor Anhängern – um wieder einmal den Bau einer Mauer zu fordern.
Unweit von Trumps Auftritt erhielten Gegner des Präsidenten eine Gelegenheit, ihm und seiner Mauer eine Absage zu erteilen: Der beim Rennen um einen texanischen Senatssitz im November knapp unterlegene Demokrat Beto O'Rourke, ein potenzieller Präsidentschaftskandidat, hatte zusammen mit über 50 Organisationen zu einer Gegenveranstaltung eingeladen. Man werde «Lügen und Hass die Wahrheit und eine Vision für die Zukunft der US-Grenze zu Mexiko entgegenhalten», sagte O'Rourke.
Mit einer Falschmeldung fing es an
Dass die Debatte über Grenzsicherheit und illegale Grenzübertritte von Migranten aus Mexiko und Zentralamerika ausgerechnet in El Paso ausgetragen wurde, verdankt die Stadt einer Falschinformation, die der republikanische Generalstaatsanwalt von Texas, Ken Paxton, dem Präsidenten bei dessen Besuch der Grenzstadt McAllen im Januar aufgetischt hatte. El Paso sei wegen krimineller Migranten ein gefährliches Pflaster gewesen, bis man Grenzbefestigungen gebaut habe, hatte Paxton erklärt.
Trump griff das Märchen auf und gab es bei seiner Rede zur Lage der Nation am vergangenen Dienstag weiter: «El Paso hatte eine extrem hohe Rate von Gewaltverbrechen, eine der höchsten im Land, und war eine der gefährlichsten Städte. Nach dem Bau einer mächtigen Barriere aber ist El Paso jetzt eine der sichersten Städte», sagte der Präsident vor Millionen von TV-Zuschauern.
Video – «Ich bekomme die Mauer gebaut»
Die unwahre Behauptung animierte den republikanischen Bürgermeister der Stadt umgehend zu einer Richtigstellung: El Paso sei «niemals eine der gefährlichsten Städte in den USA» gewesen, so Bürgermeister Dee Margo. Zudem war die Zahl der Verbrechen in El Paso nach dem Bau der Grenzbefestigung über zwei Jahre hinweg sogar angestiegen, ehe sie sich wieder normalisierte.
Symbol für weisse Identitätspolitik
Trumps an den Haaren herbeigezogener Unsinn illustriert gleichwohl das politische Kalkül des Präsidenten: Die Dämonisierung von Migranten werde sich bei der Präsidentschaftswahl 2020 neuerlich auszahlen, glauben der Präsident und seine Berater. Tatsache aber ist nicht nur, dass Migranten, gleichgültig ob legal oder ohne Papiere, in den USA weit weniger Verbrechen begehen als Einheimische.
Seit 2006 ist die Zahl illegaler Grenzübertritte überdies dramatisch gefallen. Die meisten Migranten kommen heute aus zentralamerikanischen Ländern, an deren sozialen und politischen Problemen die USA eine erhebliche Mitschuld tragen.
Doch die Mauer zu Mexiko ist längst zu einem Symbol geworden für eine weisse Identitätspolitik, die der Republikanischen Partei besonders in hispanischen Zuwanderungsstaaten wie Texas, Georgia, North Carolina und Arizona auch weiterhin Macht garantieren soll.
Latinos aus Wählerlisten gestrichen
Bereits im kommenden Jahrzehnt werden Latinos in Texas jedoch eine Mehrheit bilden. Falls es der Republikanischen Partei nicht gelingt, ihre Anziehungskraft auf hispanische Wähler zu erhöhen, wird sie ihre seit Jahrzehnten unangefochtene politische Stellung im Staat verlieren.

Dagegen helfen werden weder eine Mauer an der Grenze zu Mexiko noch der jüngste Versuch von Generalstaatsanwalt Paxton, Zehntausende Latinos aus texanischen Wählerlisten zu streichen – mit der Begründung, sie seien keine US-Staatsbürger. Kaum war die Liste an lokale Behörden gegangen, stellte sich heraus, dass die meisten der darauf befindlichen Latinos eingebürgert worden waren.
Migranten seien oft kriminell, Mexiko werde für die Mauer zahlen, illegale Einwanderer verübten massenhaft Wahlbetrug: Solcherart sind die politischen Phantome, die Donald Trump gern herbeizaubert. In El Paso aber wollte man gestern Abend davon nichts wissen.
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