Real - Juve, zweimal vier magische Buchstaben im Fussball. Tradition, Pokale, Vergangenheit, Gegenwart. Am nächsten Samstagabend wieder das Duell, im Millennium-Stadium im walisischen Cardiff. Wer ist die Nummer 1 in Europa? 11-mal waren es schon die Madrilenen, 2-mal die Turiner, beide holten in diesem Jahr ihren 33. Meistertitel.
Aber Real - Juve ist auch etwas anderes, Zinédine Zidane gegen Gianluigi Buffon, der Trainer von Real (45) gegen den Torhüter von Juventus (39) Sie begegnen sich erneut in einem grossen Final, elf Jahre später.
Es war damals eine schwüle Vollmondnacht in Berlin gewesen, der letzte Tag eines Sommermärchens, wie alle glaubten. Franz Beckenbauer hatte noch überall in der Welt nur Freunde und war allgegenwärtig, schwebte im Helikopter über das Land von Spielort zu Spielort, und Deutschland war stolz auf ihn, er war Weltmeister, der Weltmeister-Trainer, und er hatte die Weltmeisterschaft nach Deutschland gebracht. Das Märchen war noch keine Affäre wie heute, und einiges, was wir inzwischen wissen, hätten wir schon damals wissen können oder zumindest ahnen, aber die Welt war eine andere. Beckenbauer eine Lichtgestalt und kein Fall für die Schweizer Bundesanwaltschaft.
Und eben dieses Bild aus jener sommerlichen Nacht, eigentlich hatte es im Stadion fast niemand gesehen, und erst eine besondere Kameraeinstellung entlarvte ihn. Zidanes Kopfstoss in Materazzis Brust, wie ein rasender Stier, der den Torero aufspiesst. Der Kommentator im französischen TV-Sender TF 1 schrie ungläubig und verzweifelt ins Mikrofon: «Pas ça, Zinédine, pas ça! Oh non, oh non! Aïe, aïe, aïe, aïe, oh non Zinédine!»
Aber es war nicht nur Zidane gegen Materazzi. Es war auch Zidane gegen Buffon. Oder Zidane mit Buffon. Erst das frühe Tor, ein Elfmeter, lässig-frech mit einem Heber mitten ins Tor. Vor dem Kopfstoss ein Kopfball und die wundersame Parade Buffons, er habe vor Wut und Ärger gebrüllt, sagte Zidane. Und nach dem Kopfstoss: Wie Buffon erregt aus seinem Tor eilte. Mit gestrecktem Arm und Finger. Auf Zidane zeigte. Zum Linienrichter lief, diesen anschrie, wild gestikulierte, das müsse er doch gesehen haben. Rot für Zidane. Und dann legte Buffon seine Hände um Zidanes Kopf, fast zärtlich schon, irgendwie schien es ihm plötzlich leid zu tun. Er flüstere Zidane etwas ins Ohr, tröstete ihn, der Franzose trottete vom Rasen, leer sein Blick, wässrig die Augen. Buffon feierte wenig später mit dem Pokal, Zidane sass in der Kabine, unansprechbar – sein letztes Spiel als Fussballer und dieser bittere Abgang.
Berlin damals, jetzt Cardiff. Wieder Zinédine gegen Gianluigi, der eine in einer neuen Rolle, der andere immer noch im Tor, Zizou, wie sie ihn nennen, gegen Gigi – oder Sisou, das hört sich zärtlicher an, ist weicher, der Introvertierte und Stille mit den mönchenhaften Gesichtszügen, gegen Tschi-Tschi, das klingt härter, der Schrille, der bei der Nationalhymne jeweils kerzengerade dasteht und mit geschlossenen Augen inbrünstig mitsingt, als stünde er auf einer Opernbühne.
Der Fussball hat kein Gedächtnis, sagte der spanische Schriftsteller Javier Marías, seit seiner Jugend ein Anhänger von Real Madrid. Zidane und Buffon bleibt diese schwüle Vollmondnacht in Berlin aber immer im Kopf.
fredy.wettstein@tages-anzeiger.ch
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Tschi-Tschi und Sisou
Fussballfans freuen sich auf den Samstag: Denn dann kommt es zum erneuten Aufeinandertreffen zweier Rivalen.