Tsunami-Warnung mit tödlichen Schwächen
Das indonesische Frühwarnsystem basiert laut Experten auf «zu einfachen Modellen». Wurden die Menschen darum von der Flutwelle überrascht?
Die Zahl der Opfer der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe in Indonesien steigt täglich. Die Behörden bestätigten am Montag den Tod von mindestens 844 Menschen auf der Insel Sulawesi. Lokale Medien gehen von über 1200 Toten aus. Befürchtet werden Tausende Opfer, wie Indonesiens Vizepräsident Jusuf Kalla erklärte.
Schwer traumatisierte Überlebende suchten unterdessen verzweifelt nach vermissten Angehörigen. In die Trauer mischt sich auch Wut auf die Behörden. Denn ein zuverlässiges Tsunami-Frühwarnsystem hätte viele Menschenleben retten können.
Indonesiens Zentrum für Meteorologie und Geophysik hatte am Freitagabend nach dem stärksten Beben der Stärke 7,4 zwar eine Tsunami-Warnung ausgegeben, sie aber bereits nach nur einer halben Stunde wieder aufgehoben – offensichtlich zu früh.
Die Behörde verteidigte sich mit dem Hinweis, dass das Wasser wieder auf dem Rückzug gewesen sei. Das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsam, das federführend am Aufbau des indonesischen Frühwarnsystems beteiligt gewesen war, liess verlauten, dass «eine Warnung frühestens nach zwei Stunden aufgehoben werden darf».
Alarm kam nicht bei allen an
Laut GFZ hatte das Tsunami-Frühwarnsystem fünf Minuten nach dem Erdbeben eine Warnung vor Wellen in der Höhe von bis zu drei Metern ausgegeben. Diese Warnung sei über die üblichen Kommunikationswege in der gefährdeten Region an nationale und lokale Behörden sowie an TV und Radio weitergeleitet worden. «Das Frühwarnsystem hat technisch funktioniert», schreibt das GFZ in einer Medienmitteilung. «Etwaige Lücken in der menschlichen Übermittlung der Warnung sind noch zu klären.»
Unklar bleibt zum Beispiel, warum viele Bewohner und Besucher am Strand in Palu von den Flutwellen überrascht worden waren. «Es gab keine Sirene», sagte der Sprecher des nationalen Katastrophenschutzes, Sutopo Nugroho. «Zahlreiche Menschen waren sich der Gefahr nicht bewusst.»
In diesem Zusammenhang haben Beobachter darauf hingewiesen, dass die Bevölkerung allgemein kaum darauf vorbereitet sei, was im Falle einer Warnung getan werden müsse. So seien Menschen noch immer an der Küste herumgeschlendert, als die gefährlichen Wellen bereits in Sichtweite gewesen seien. Dabei wäre es nach Erdbeben an der Küste immer ratsam, sich rasch in höher gelegene Gegenden zu begeben und dort mehrere Stunden bis zur Entwarnung zu warten.
Tsunami-Modelle sind zu einfach
Das aktuelle Frühwarnsystem hat Experten zufolge grundsätzliche Schwächen. «Die Tsunami-Modelle, die wir gerade haben, sind zu einfach», sagte zum Beispiel Adam Switzer, Tsunami-Experte am Earth Observatory in Singapur. «Mehrfache Ereignisse und mehrfache Beben in einer kurzen Zeitperiode werden nicht berücksichtigt.» Auch Erdrutsche am Meeresboden würden nicht erfasst.
Das indonesische Tsunami-Frühwarnsystem besteht aus 134 Pegelmessstationen, unterstützt von Seismografen an Land, Sirenen an 55 Orten und einem System, das die Menschen per SMS warnt. Es war nach der Mega-Katastrophe Ende 2004 im Indischen Ozean eingerichtet worden. In den letzten zehn Jahren funktionierte das Frühwarnsystem in über zehn Fällen.
Video – Drohnenaufnahmen zeigen Zerstörung
Nach der Katastrophe auf der Insel Sulawesi hat Indonesien um internationale Hilfe gebeten. In dem Notstandsgebiet fehlt es an den wichtigsten Dingen. «Es gibt kaum schweres Gerät und praktisch keinen Treibstoff», klagte der Leiter der staatlichen Suchtrupps in der Stadt Palu, Nugroho Budi Wiryanto. «Das macht uns die Rettung von Verletzten sehr schwer.» Zudem gebe es vielerorts immer noch keinen Strom.
Nach Schätzungen der UNO brauchen rund 191'000 Menschen Nothilfe. Unter den Betroffenen sind etwa 46'000 Kinder. Lebensmittel und Wasser werden immer knapper. In der Stadt Palu plünderten Menschen in ihrer Not Läden, während die Polizei tatenlos zuschaute, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Zu den Ländern, die Hilfe auf der Insel Sulawesi leisten werden, gehört auch die Schweiz. Die Humanitäre Hilfe des Bundes entsandte am Montag ein Vorausdetachement mit Experten aus den Bereichen Medizin, Wasser, Bau und Logistik.
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