Türkei provoziert Deutschland mit Auslieferungsgesuch
Kurz vor dem Staatsbesuch forderte Erdogan laut Medienberichten die Auslieferung des Journalisten Can Dündar und 68 weiterer Personen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fordert laut deutschen und türkischen Medienberichten von der deutschen Regierung die Auslieferung des Journalisten Can Dündar. Ebenso sollen 68 weitere Aktivisten ausgeliefert werden.
Die regierungsnahe türkische Zeitung «Yeni Asir» berichtete am Freitag, Erdogan habe drei Tage vor seinem Besuch in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Liste geschickt. Unter den 69 darauf Aufgeführten soll auch Can Dündar sein, der frühere «Cumhuriyet»-Chefredaktor.
Mutmassliche PKK-Mitglieder
NDR, WDR und «Süddeutsche Zeitung» berichteten ihrerseits, am Montag sei eine Verbalnote beim Auswärtigen Amt eingegangen, in der die türkische Botschaft um die Festnahme und Auslieferung von Dündar wegen Spionage, Verrats von Staatsgeheimnissen und Propaganda bitte.
In Deutschland wird der Antrag der türkischen Regierung nun als Provokation empfunden, zumal er unmittelbar vor dem Staatsbesuch Erdogans in Berlin einging. Die Türkei wisse, welche Bedeutung der Fall Dündar habe und dass eine Auslieferung aussichtslos sei. Ein solches Manöver sei unverständlich, wenn Erdogan tatsächlich auf eine Normalisierung der Beziehungen aus sei, heisst es in Regierungskreisen. Das Ganze sei «pure Eskalation».
2016 ins Exil gegangen
Can Dündar ist einer der bekanntesten Journalisten der Türkei und lebt seit Sommer 2016 in Deutschland im Exil. Im Jahr 2015 veröffentlichte die regimekritische Zeitung «Cumhuriyet», deren Chefredaktor Dündar damals war, dass die türkische Regierung heimlich Waffen nach Syrien liefert. Im Mai 2016 wurde Dündar deshalb wegen Geheimnisverrats zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
Dündar nutzte 2016 einen Auslandsaufenthalt, um nicht mehr in die Türkei zurückzukehren. Er lebt seither in Berlin und betreibt das regimekritische Onlineportal Özgürüz, türkisch für «Wir sind frei». Dündars Frau lebt weiter in der Türkei, darf aber nicht ausreisen.
Forderung der Türkei
Auf der Liste sollen die früheren Staatsanwälte Zekeriya Öz und Celal Kara stehen, die im Dezember 2013 eine führende Rolle bei den Korruptionsermittlungen gegen das Umfeld Erdogan hatten. Ebenfalls gesucht wird der Theologiedozent Adil Öksüz, den die Führung in Ankara als einen der Drahtzieher des Putschversuchs ansieht.
Auch mehrere frühere türkische Offiziere bei der Nato, die nach dem Putschversuch in Deutschland Asyl gesucht haben sollen, sollen sich auf der vom Geheimdienst MIT zusammengestellten Liste finden. Diese enthält dem Zeitungsbericht zufolge Adressdaten sowie Fotos der Verdächtigen, die sie an den genannten Orten zeigen.
Die Türkei drängt gegenüber der deutschen Regierung auf ein verstärktes Vorgehen gegen die PKK und die Gülen-Bewegung und fordert die Auslieferung von PKK-Mitgliedern und Gülen-Anhängern, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben. Erdogan erneuerte diese Forderungen vor seinem Staatsbesuch in Berlin in einem Beitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung».
Tamedia/sda
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