Tunesien verbittet sich jede europäische Einmischung
Der nicht abreissende Strom tausender tunesischer Bootsflüchtlinge nach Italien sorgt für Streit zwischen den beiden Ländern. Tunesien reagiert mit Sofortmassnahmen.
Der Flüchtlingsstrom tausender Menschen aus Tunesien nach Süditalien reisst nicht ab. Die tunesische Übergangsregierung will die Lage aber ohne europäische Unterstützung in den Griff bekommen. Ein Einsatz italienischer Beamter an der tunesischen Grenze kommt für Tunis nicht in Frage. «Tunesien lehnt kategorisch jede Einmischung in seine inneren Angelegenheit ab», zitierte die staatliche Nachrichtenagentur TAP einen Sprecher des Aussenministeriums.
Zu einer Zusammenarbeit mit befreundeten Staaten, um angemessene Lösungen für das Phänomen der illegalen Migration zu finden, sei Tunesien aber bereit. Der italienische Innenminister Roberto Maroni hatte angeboten, dass italienische Einsatzkräfte vor der nordafrikanischen Küste aktiv werden könnten, um den seit Tagen anhaltenden «biblischen Exodus» einzudämmen. Er äusserte sich zudem empört, dass die neue tunesische Regierung sich offenbar nicht mehr an das bilaterale Abkommen zur Begrenzung von Flüchtlingsströmen halte.
Frattini und Asthon in Tunis
Bis vor kurzem hätten die Patrouillen an der nordafrikanischen Küste funktioniert. Die illegale Migration sei bis vor einem Monat gestoppt worden. Dieser Zustand müsse wiederhergestellt werden, forderte Italiens Aussenminister Franco Frattini, der am Montag in Tunis zu einem kurzfristig anberaumten Besuch erwartet wurde. Auch die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton traf am Montag zu bereits länger geplanten Gesprächen in Tunesien ein. Dabei wollte sie der Übergangsregierung politische und wirtschaftliche Hilfe anbieten. Auch der neuerliche Flüchtlingsstrom dürfte ein Thema sein.
Allein seit Samstagnacht erreichten rund 1600 Menschen in rund 20 Schiffen die nur 20 Quadratkilometer grosse Insel Lampedusa. Die Regierung von Silvio Berlusconi rief den humanitären Notstand aus und genehmigte am Sonntag die Wiederöffnung des dortigen Flüchtlingslagers. Dieses platze aber schon wieder aus allen Nähten, berichteten italienische Medien am Montag. Das Lager ist eigentlich für die Aufnahme von 800 Personen angelegt. Am Montag befanden sich noch über 2200 Bootsflüchtlinge auf Lampedusa.
Transport nach Sizilien
Mit Fährschiffen waren Flüchtlinge bereits nach Sizilien verlegt worden. Für Montag war eine Luftbrücke geplant. In Sizilien könnten alle Flüchtlinge aufgenommen werden, im Notfall in Zeltlagern, sagte der Präfekt von Palermo, Guiseppe Caruso am Montag. Nach einer ruhigen Nacht auf der winzigen Insel südlich von Sizilien wurde am Montagmorgen bereits ein neues Flüchtlingsboot gesichtet. In den vergangenen Tagen waren insgesamt rund 5000 Menschen, zumeist Tunesier, auf Lampedusa geflüchtet.
Hintergrund des Flüchtlingsstroms aus Tunesien ist der nach dem Sturz von Präsident Zine al-Abidine Ben Ali vernachlässigte Grenzschutz im Land. Zahlreiche Menschen, vor allem Arbeitslose, sehen nun die Chance, in Europa ihr Glück zu suchen. Lampedusa ist lediglich 150 Kilometer von der tunesischen Küste entfernt. Bei der letzten grossen Flüchtlingswelle aus Nordafrika nach Italien waren zwischen Juli 2008 bis Juli 2009 mehr als 20'000 Bootsflüchtlinge allein auf Lampedusa angekommen.
SDA/jak
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