

Min Li Marti
SP-Nationalrätin
Ja
Der Ton sei harsch, beklagt Linus Schöpfer die Forderung des Vereins Frauenrechte beider Basel, für die Nachfolge von Didier Burkhalter «unbedingt eine Frau» zu wählen. Die Forderung, so Schöpfer, sei «feministischer Symbolismus». Wir erhalten den Ratschlag: «Warum Feministinnen manchmal Männer wählen sollten.» Warum? Weil der feministische Symbolismus die Macht der Zeichen über- und die Bedeutung der konkreten Politik unterschätze. Aha.
Das ist starker Tobak. Die politische Teilhabe von Frauen in der Schweiz wurde lang und hart erkämpft. Erst seit 1991 haben Frauen im Kanton Appenzell Innerrhoden überhaupt das kantonale Stimm- und Wahlrecht. Sie hätten es heute kaum, hätte es nicht eine couragierte Appenzellerin vor Bundesgericht erstritten. Erst seit 1988 dürfen Ehefrauen ohne Zustimmung des Ehegattens arbeiten. Wird der Anspruch auf angemessene Vertretung – auf Teilhabe an Macht – nicht gestellt, passiert nichts, das zeigt die Geschichte.
Das Argument – meist übrigens an die Adresse von linken Frauen – das Geschlecht allein sei kein Programm, ist weder neu noch originell. Nein, linke Frauen wählen nicht zu jedem Preis eine rechte Frau. Frauen sind nicht die besseren Menschen. Frauen sind Teil des politischen und wirtschaftlichen Systems und daher auch Teil von Problemen, die sich dadurch stellen. Natürlich sind mit einer besseren Vertretung der Frauen in der Politik weder Krieg, Ungerechtigkeit noch Welthunger besiegt.
Es geht aber um eine fundamentale Frage der Gerechtigkeit: Im Minimum sollte man Frauen zugestehen, gleich schlecht oder gleich böse zu sein wie Männer. Denn: Auch rechte Frauen erfahren Sexismus. Man muss kein politischer Fan von Isabelle Moret sein, um zu sehen: Die ständige Thematisierung ihres Privatlebens, die anonymen Stimmen, die sie «als blondes Bäbi aus der Romandie» sehen, hängen mit ihrem Geschlecht zusammen. Und wir Feministinnen wissen: Wird Sexismus nicht konsequent bekämpft, schadet das allen Frauen.
Nein, es ist nicht Aufgabe der Linken, das Frauenproblem der FDP zu lösen. Als linken Feministinnen ist uns bewusst, dass eine Frau nicht linkere Politik bedeutet und dass ein Mann linker politisieren könnte. Trotzdem ist uns klar: Auch wenn morgen der Kapitalismus überwunden wäre – bestünden die politischen Vertretungen nur aus Männern, eine gerechte Gesellschaft wäre nicht erreicht.

Linus Schöpfer
Redaktor Kultur
Nein
Die wichtigen Fragen zuerst: Wer sorgt dafür, dass Frauen bei gleicher Qualifikation endlich die gleichen Löhne wie Männer bekommen? Wer fördert Teilzeitarbeit? Wer ahndet Sexismus? Wie viel Urlaub gibts nach der Geburt für Mutter und Vater? Frauenpolitik ist fast immer Regulierungs- und Subventionspolitik. Es geht also um das Kerngeschäft der Linken.
Nun fordert der Verein Frauenrechte beider Basel in harschem Ton, «dass am 20. September 2017 unbedingt eine Frau in den Bundesrat gewählt wird». Und fügt an: «Alle andern Überlegungen betreffend Landesregion, Sprache usw. sind zweitrangig.» Die Pressemitteilung wurde jüngst veröffentlicht, blieb allerdings ohne Resonanz. Wohl deshalb, weil sie niemanden überraschte. Sie ist auf Linie mit der wichtigsten feministischen Strömung dieser Tage, die man «feministischen Symbolismus» nennen könnte. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit der Suche nach passenden Vorbildern und Zeichen.
Er beschäftigt sich mit Facebook-Chefin Sheryl Sandberg als Frau, die «es geschafft» hat im Silicon Valley. Mit dem Pussy-Hat als Marker antisexistischen Protests. Mit der Statue eines Mädchens vor der New Yorker Börse, die von einem cleveren Investmentfonds aufgestellt wurde und seither als Signal weiblicher Ermächtigung gefeiert wird. Oder eben mit der Zahl der weiblichen Bundesräte. Vier oder mehr sind gut, bei weniger als vier schrillt der Alarm.
Der Basler Frauenrechtsverein fordert «unbedingt» eine Frau. Welche, ist ihm egal. Es könnte Isabelle Moret sein. Oder Tamara Funiciello oder Karin Keller-Sutter oder Magdalena Martullo-Blocher. Hauptsache Frau, Hauptsache, der Bundesrätinnen-Zähler schnellt nach oben.
Der Verein überschätzt dabei die Macht der Zeichen und unterschätzt die Bedeutung der konkreten Politik. Ein Beispiel aus dem Ausland: Margaret Thatcher, die erste britische Premierministerin, war erzkonservativ und trug so gut wie nichts zur Frauenförderung bei. Es war dann Labour-Mann Tony Blair, der feministische Anliegen in der Regierungspolitik verankerte.
Ernsthaften Feministinnen sollte Politik wichtiger sein als das Geschlecht, sie sollten linke Männer rechten Frauen vorziehen. Sicher, deswegen wird mal eine Frau weniger gewählt. Letztlich dürften aber Millionen andere profitieren – faktisch, nicht symbolisch.
----------
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch
Unbedingt eine Frau in den Bundesrat wählen?
Ist Politik wichtiger als das Geschlecht? Ein Schlagabtausch zur Frauenfrage in der kommenden Bundesratswahl.