Und Action!
Motorradfahrer heben den Daumen, Damen in silbernen Coupés geraten in Ekstase: Im Aston Martin DB11 ist es unmöglich, nicht aufzufallen.

Geheimagenten haben es auch nicht leicht. Alles, was sie anfassen, machen sie kaputt. Venezianische Stadtvillen und sagenhaft teure Sportwagen. Der Spur der Zerstörung fällt traditionell auch ein Aston Martin zum Opfer, jedenfalls in den neueren James-Bond-Filmen. Die Wagen der britischen Sportwagenmarke sind von jeher enge Weggefährten für 007. Das macht jede Fahrt in solch einem Bond-Mobil zum potenziellen Filmdreh. Zumindest für manche Zeitgenossen im Strassenverkehr, bei denen das Hirn auszusetzen scheint angesichts eines 217 800 Franken teuren Sportcoupés. Es ist völlig unmöglich, nichts zu erleben mit diesem Zwölfzylinderauto. Undercover geht anders. Was der Berufsausübung von Geheimagenten ziemlich hinderlich sein dürfte.
Wie der Chauffierte in einem Rolls-Royce ist auch der Lenker dieser ebenso britischen Institution eine öffentliche Person. Wird mit dem Rolls ein «Grand Arrival» gefeiert, also das Aussteigen im Blitzlichtgewitter, ist der Betrieb des Aston Martin DB11 weniger immobiler Natur: Fastforward statt Slowmotion. Und die Zuschauer reisen in beinahe jedem Tempo mit. Da sind die Motorradfahrer, von denen viele den Sportwagen quasi als Gleichgesinnten behandeln. Es hagelt «Likes» und «Daumen hoch»-Gesten. Der Fahrer nimmt es gelassen, weiss er doch, dass er im Sprintduell nicht nachstehen muss. Und sich in der Schweiz mangels einer Lizenz für Verfolgungsjagden sowieso lieber zurückhält.
Ein Gentleman-Racer
Noch schwerer zu ertragen sind die Huldigungen aufgeregter Damen in silbernen Coupés, die sich offenbar einen Millionär angeln wollen. Indem sie mit ihrem Wagen die zweispurige Strasse blockieren, um dem Aston einen Spurwechsel im Stop-and-Go zu ermöglichen. Und hinterher vorbeiziehen, um ermunternde Blicke im Rückspiegel zu erheischen.
Das ist genauso unnötig wie die exaltierten Rechtsüberholer auf der Autobahn, die sich sozusagen als Kamerawagen im Bond-Dreh wähnen und dabei knapp am Unfall vorbeischrammen. Dabei geniesst so ein Auto doch schon genug Aufmerksamkeit. Bei fast jedem Betrachter rattert das Kopfkino los, inklusive der verbissenen Weggucker, die so viel Reichtum obszön finden. Aber sie sind klar in der Minderheit, der Aston scheint wie ein Idol beinahe über den Klassen zu schweben. Wohl auch deshalb, weil kaum jemand einmal ein Exemplar gefahren ist. Dabei ist er ein ziemlich eindeutiger automobiler Charakter. Nicht fehlerlos und schon gar nicht gottähnlich. Aber das macht den Gentleman-Racer ebenso sympathisch wie die eher zwiespältige und gebrochene Bond-Figur von Daniel Craig.
Mit einer gewissen Wehmut erinnert man sich an seine melancholische 007-Interpretation. Vielleicht wird der nächste 007 wieder solch ein eindimensionaler Superheld ohne Tiefgang? Wie langweilig. Dabei könnte man von Craig lernen, was so ein Aston Martin aus einem gewöhnlichen Automobilisten macht: eine melancholische Gestalt, die weiss, dass einem dieses Auto wieder weggenommen wird. Wie schade, denn die Sportflunder ist ein erstaunlich angenehmer Begleiter. Sie federt in der GT-Einstellung absolut langstreckentauglich und läuft bei knapp 2000 Touren im achten Gang so leise, dass man noch bei 175 Sachen tatsächlich Filmdialoge drehen könnte. Ganz anders als die leicht hysterischen Automobil-Diven aus Maranello oder Sant'Agata Bolognese.
Reden wir nicht vom Verbrauch
Das alles sind gute Gründe, Geheimagent zu werden. Weniger schön wird es im britischen Sport-Plus-Modus. Dann fängt der Gentleman an zu boxen wie ein Strassenjunge und hoppelt auf drittklassigem Asphalt, dass das souveräne Dauerlächeln des Fahrers zu fiesen Fratzen verwackelt. Endgültig Schluss mit lustig ist dann, wenn man von ordinären Audi-Achtzylinderdieseln an einer kurvigen Steigung zersägt wird. Trotz seiner überragenden Leistung in jeder Lebenslage – 608 PS aus 5,2 Litern Hubraum – kämpft der Aston dann mit seinen überzähligen Pfunden. Bei Tempo 200 kann es auf vielfach geflicktem Asphalt auf der deutschen Autobahn unruhig werden, wenn es durch die Kurven geht. Dann fängt der schwere Wagen an zu oszillieren. Der ganze Komfort-Ballast mit all den kleinen Elektromotoren rächt sich eben, wenn es ans Eingemachte geht.
Aber der nervöse Walzer bei Top-Speed ist nur ein Wermutstropfen im Bond-Gefühl. Schlimmer ist der Verbrauch, der bei artgerechter Fortbewegung natürlich durch die Decke geht. Dabei macht man den Quatsch eh nur für die Firmenwagenfahrer. Rudelweise umkreisen sie den Aston mit dem gebührenden Respektabstand, um ihn zum Sprint-Duell herauszufordern. Es ist eben nicht leicht, immer der Gute zu sein. Das Böse fordert einen ständig heraus. Zum Glück müssen wir den Aston wieder abgeben. Das Leben als Geheimagent ist uns dann doch zu stressig.
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