Unnötiges Flugverbot: Dürfen Airlines auf Schadenersatz hoffen?
Neuste Erkenntnisse zeigen, dass die Luftraumsperre nicht nötig war. Das dürfte noch mehr Airlines und Flughäfen dazu verleiten, die Behörden zu verklagen. Mit Chancen? Zwei Experten nehmen Stellung.

Vier Tage lang war der Flugraum über Europa über weite Strecken gesperrt. 1,7 Milliarden Dollar kostete der Spuk die Luftfahrtbranche. Mittlerweile können Spezialisten aufgrund von Untersuchungen von Triebwerkherstellern sagen: Die eingeleiteten Massnahmen der europäischen Flugaufsichtsbehörden wären nicht nötig gewesen. Für den Linienverkehr bestand keine Gefahr.
Dieser Befund gibt auf den ersten Blick jenen Konzernen im Luftfahrtsbetrieb Aufwind, die sich gegen die Sperre aufgelehnt und angekündigt hatten, sie würden die Einnahmeausfälle allenfalls auf juristischem Wege einfordern. Zum Beispiel der Flughafen Zürich: Dessen Chef Thomas Kern hatte in der «Finanz & Wirtschaft» erklärt, man prüfe Regressansprüche an die nationalen Flugaufsichtsbehörden. Aber auch die Swiss liess verlauten, man schliesse eine Klage nicht aus.
Kein widerrechtliches Verhalten der Behörden ersichtlich
Doch können sich Luftfahrt-Unternehmen bei diesem Unterfangen Chancen ausrechnen? Rechtsexperten äussern sich skeptisch. «Es dürfte, zumindest nach Schweizer Recht, sehr schwierig sein, den Aufsichtsbehörden widerrechtliches Handeln nachzuweisen», sagt der auf Luftfahrt spezialisierte Rechtsanwalt Lars Gerspacher gegenüber Redaktion Tamedia. Das sei laut dem schweizerischen Verantwortlichkeitsgesetz eine der Voraussetzungen, damit der Staat gegenüber geschädigten Dritten hafte.
Ein widerrechtliches Handeln dürfte dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) laut Gerspacher auch deshalb schwierig nachzuweisen sein, weil fast alle Aufsichtsbehörden in Europa wegen der Aschewolke den Flugraum dicht machten. Hinzu kommt: «Das Bazl wie auch die ausländischen Aufsichtsbehörden mussten sich mit einer potenziellen Gefahr auseinandersetzen, für deren Einschätzung es noch keine verlässlichen Erfahrungswerte gab. Darüber hinaus verfügte das Bazl vergleichsweise früh eine Lockerung des Verbots.» Gerspacher ist deshalb überzeugt, dass das Bazl das einzig Richtige getan hat.
Auch laut Roland Müller, Präsident des Center for Aviation Competence an der Universität St. Gallen, haben Unternehmen kaum Chancen, vor Schweizer Gerichten mit Schadenersatzklagen durchzukommen. Das Gesetz sieht vor, dass der Staat das Recht hat, seinen Luftraum aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung teilweise oder vorübergehend einzuschränken oder zu schliessen. «Die Fluggesellschaften werden in der Schweiz nicht klagen können», so Müller lapidar.
Seco könnte Kurzarbeitsentschädigung leisten
Auch dürfen Airlines und Flughäfen nicht darauf hoffen, dass der Staat bei der Schadensbewältigung Unterstützung leistet. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Bundesrat zu staatlichen Hilfeleistungen bereit wäre, erklärte Verkehrsminister Moritz Leuenberger am Donnerstag. Direkte Subventionen sind denn auch wettbewerbsrechtlich heikel, da sie zu Marktverzerrungen führen könnten.
Laut der «Neuen Zürcher Zeitung» ist aber immerhin eine andere Form der Entschädigung möglich: die Kurzarbeit. Diese könne nicht nur bei Konjunkturflauten zum Zug kommen, sondern auch für wetterbedingte Arbeitsausfälle. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist der Auffassung, dass die Flugsperre wegen der Aschewolke damit vergleichbar sei.
Bereits sind die kantonalen Vollzugsstellen instruiert, dass Gesuche um Kurzarbeitsentschädigung auch nachträglich eingereich werden können. Mit Gesuchen von Fluggesellschaften und Flughafenbetreibern wird laut NZZ sowohl in Zürich als auch in Genf gerechnet.
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