Die Zürcher Oberrichter waren offensichtlich zwiespältig, als sie das Urteil fällten. Einerseits bezeichnen sie den Beschuldigten als rückfallgefährdet und damit als Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Er zeige wenig Respekt vor der körperlichen Integrität anderer Personen, heisst es im Urteil, er schlage grundlos zu. Zweimal sei er wegen Beeinträchtigung der physischen Integrität verurteilt worden, was als schwerwiegende Rechtsverletzung gelte. Trotzdem, folgert das Gericht, sei von einer Landesverweisung abzusehen, weil diese mit der Personenfreizügigkeit nicht vereinbar sei. Das Gericht verweist auf das EU-Gericht, das Beschränkungen der Personenfreizügigkeit nur zurückhaltend akzeptiere.
Damit passt sich die Schweiz vorauseilend der EU an. Das ist innenpolitisch nicht wünschenswert, weil es isolationistischen Kräften rund um die SVP und der Selbstbestimmungsinitiative unnötig Auftrieb verleiht. Es ist aber auch ein schlechtes Signal an die Stimmberechtigten. Die Schweiz muss nicht immer peinlich genau darauf achten, sich an die Regeln der EU zu halten. Würde sie in Fällen wie dem oben beschriebenen von der Linie des EU-Gerichts abweichen, provozierte sie vielleicht eine vorübergehende bilaterale Unstimmigkeit. Was wäre daran so schlimm?
Die Schweiz verhält sich oft wie eine oberkorrekte Musterschülerin, welche die Zufriedenheit ihrer Ansprechpartner zur Maxime erklärt. Das Urteil des Obergerichts veranschaulicht dies sehr gut. Da ist das klare Verdikt: Dieser Täter ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Aber: Besser nicht wegweisen, denn das EU-Gericht tut es in ähnlich gelagerten Fällen meistens nicht. Auch die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative war ein Beispiel dafür, wie sehr die Schweiz bilaterale Differenzen scheut. Sie sollte das Selbstbewusstsein haben, solche Differenzen auszuhalten. Und sie gegebenenfalls als Pfand einsetzen.
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Unstimmigkeiten mit der EU aushalten
Claudia Blumer, Redaktorin Inland, über einen deutschen Schläger, der nicht ausgeschafft werden kann.