Unter Rechtsextremen
Ein schwedischer Homosexueller gab sich ein Jahr als Rassist aus – und erfuhr Erschreckendes über die Szene.
Ein Jahr lang waren Neonazis, Alt-Righter, White Supremacists aus England und den USA seine Freunde. Der schwedische Student Patrik Hermansson gab sich als einer der ihren aus, dafür tranken sie mit ihm aus nordischen Trinkhörnern, vertrauten ihm ihre Träume von ethnisch reinen Nationen und neuen Konzentrationslagern an. Sie verrieten ihm, wie sie global organisiert und was Ihre Ziele sind.
Hermansson trug bei allen seinen Treffen stets eine versteckte Kamera im Hemdknopf und machte Film- und Tonaufnahmen. Die Resultate seiner Recherche sind auf der Seite der Antifaschistischen Organisation Hope Not Hate nachzulesen und werden demnächst in einem Film zu sehen sein.
Hermansson gab sich für diese gefährliche Recherche den aussagekräftigen Namen Erik Hellberg und kontaktierte einschlägige Personen in London und den USA. Er sei Student und schreibe eine Arbeit über die Unterdrückung rechtsextremer Meinungen, erzählte er ihnen. Und er habe genug vom kulturellen Marxismus schwedischer Unis. Das reichte. Der Rest sei überraschend einfach gewesen.
Schlechtes Menschenmaterial
Nach London besuchte Hermansson die USA, marschierte in Charlottesville mit und wurde sogar eingeladen, bei einer Konferenz in Seattle einen Vortrag nach freier Themenwahl zu halten. Er machte sich einen Spass daraus und referierte über die Gefahr einer Infiltration der Szene durch Anti-Faschisten. Und hoffte dabei, nicht aufzufliegen.
Das Bild, das Hermansson von der Szene zeichnet, ist detailliert und erschreckend. Die extreme Rechte ist global vernetzt, aggressiv, extrem rassistisch, sexistisch und homophob. Letzteres war für den homosexuellen Hermansson besonders gefährlich. Die verschiedenen Protagonisten sind teilweise skurril, sie zelebrieren Nazi- und Fantasierituale, manche beten zum nordischen Gott Odin, andere tragen an die Hitlerjugend angelehnte Uniformen - mit kurzen Hosen. Und alle lieben Verschwörungstheorien. «Ein Maulwurf unter Rechtsextremen zu sein war manchmal gefährlich, nervenzerrüttend und beängstigend. Oft war es aber auch surreal, lächerlich und offen gestanden lustig», schreibt Hermansson.
Interessant an seiner Recherche sind die Details, die er über die Szene zu berichten hat. Und die Nähe, die er zu gewissen Personen aufbauen konnte. So sei er auch deswegen mit so offenen Armen empfangen worden, weil die «Qualität ihrer Gefolgschaft» für viele Führungsfiguren der Szene «minderwertig» sei - sprich, die breite Gefolgschaft von Nazis scheint sogar ihren Führern zu dumm. Man wolle jüngere und intelligentere Menschen ansprechen, weshalb auch die sogenannte Alt-Light-Bewegung immens wichtig sei. Gemeint sind damit jüngere Persönlichkeiten mit weniger extremen Positionen, etwa der britische Blogger Milo Yiannopoulos oder der kanadische Komiker Gavin McInnes. Ihre Aufgabe sieht die Führung darin, das Gedankengut in den Mainstream bringen und salonfähig zu machen. Aus dem gleichen Grund seien auch die sozialen Aktivitäten der neuen Rechten so wichtig: Konzerte, Vernissagen, Picknicks. Hier treffen sich junge Menschen, können sich mit einer Gemeinschaft identifizieren und schrittweise an extremeres Gedankengut herangeführt werden.
Bald habe es sich fast normal angefühlt, extremste rassistische Positionen zu hören, schreibt Hermansson. Genau deshalb sei die Normalisierung durch die Alt-Light-Bewegung so gefährlich, schreibt er. «Das sind nicht einfach andere Meinungen. Die Bewegung schürt aktiv Hass und ruft zu Gewalt an unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen auf.» Genau deshalb muss man sie stoppen. Immer und überall.
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