«UV-Licht galt als Stärkungsmittel»
Der Historiker Niklaus Ingold über das «Lichtduschen», das bis in die 70er-Jahre als gesundheitsfördernd galt.

Bereits ein einzelner Sonnenbrand gilt heute als grob fahrlässig. Früher war es umgekehrt: UV-Licht galt als gesundheitsfördernd. Wie kam man denn auf diese – rückwirkend gesehen – etwas merkwürdige Idee?
Die Anfänge liegen im 19. Jahrhundert. Damals setzte sich in westlichen Gesellschaften die Vorstellung durch, dass die Gesundheit der ständigen Sorge bedarf. Die Menschen glaubten nicht mehr, dass eine höhere Macht darüber entscheidet, ob man krank wird. Stattdessen wollten sie wissen, was man tun muss, um gesund zu sein. Es war auch die Zeit der sogenannten Lebensreformbewegung, die naturnahe Lebensweise, Nudismus und Vegetarismus propagierte. Deren Anhänger kritisierten die westliche Zivilisation als Entfremdung von der Natur und forderten, dass der Körper vermehrt dem Licht ausgesetzt werden solle, um dem entgegenzuwirken. Gleichzeitig gelang es, elektrisch verschiedene Lichtarten herzustellen, und die Medizin begann, sich vermehrt mit deren Wirkung zu befassen.