Venezuela schuldet Schweizern 13 Millionen für Rekord-Seilbahn
Das Regime feiert seine weltgrösste Zugseilbahn – der Schweizer Hersteller Garaventa wartet auf das Geld.

Gross war die Freude beim Schweizer Seilbahnbauer Garaventa, als er 2011 den Auftrag gewann, in Venezuela die längste Pendelbahn der Welt zu bauen. Ein Auftragsvolumen von 53 Millionen Euro erhält man schliesslich nicht jeden Tag. Die Bahn führt von der Stadt Mérida in vier Sektionen auf den 4765 Meter hohen Pico Espejo. Sie überwindet einen Höhenunterschied von 3200 Metern und ist 12,5 Kilometer lang.
Doch nun ist die Freude der Ernüchterung gewichen. Denn die zahlungsunfähige venezolanische Regierung schuldet Garaventa auch ein halbes Jahr nach der Einweihung des Prestigeprojekts im Oktober fast 13 Millionen Euro an Baukosten. Ein guter Teil ist schon seit zwei Jahren fällig. Am Firmensitz in Goldau will man sich dazu nicht äussern, aus Angst vor Repressalien durch das Regime von Präsident Nicolás Maduro.
«Meisterwerk des Vaterlandes»
Dieser kam nicht zur Eröffnung, obwohl es sich laut seiner Regierung um «den Stolz Venezuelas», um «ein Meisterwerk des Vaterlandes» sowie um eine «internationale Tourismusattraktion» handelt. Aber die Zeiten sind nicht mehr die seines 2013 verstorbenen Vorgängers Hugo Chávez, der die Bahn in Auftrag gegeben hatte. Nicht nur mit dem Ölpreis ging es bergab, sondern mit dem ganzen Land. Die Politiker betrügen, die Milizen morden, die Menschen hungern, die Demokratie stirbt. Offenbar hat Maduro immerhin so viel Fingerspitzengefühl, sich angesichts dieser beispiellosen Versorgungskrise nicht für eine millionenschwere Luxusseilbahn feiern zu lassen, die er noch nicht einmal bezahlt hat.
Die Weltattraktion kann bis zu 2000 Passagiere pro Tag befördern. Doch seit Oktober bis heute wurden nur 480 ausländische Touristen begrüsst. Venezuela war einmal ein beliebtes Reiseziel, heute kommt kaum noch einer freiwillig in diesen Chaosstaat. «Die Seilbahn ist zum Symbol des Grössenwahnsinns und Ruins des Chavismus geworden», sagt ein hochrangiger venezolanischer Mitarbeiter von Garaventa. Er will lieber anonym bleiben, weil er den Rest seines Lebens gerne in Freiheit verbringen möchte: «Es gibt in der Welt keinen grösseren Irrsinn als diesen hier.»
Die 13 Millionen Euro muss Garaventa wohl abschreiben. Von der schweizerischen Exportrisikogarantie kann das Unternehmen nicht profitieren, denn der Auftrag kam dank eines bilateralen Abkommens zwischen Venezuela und Österreich – dem Sitz der Garaventa-Mutterfirma Doppelmayr – zustande. Den Schaden hat aber die Schweizer Tochter; die fehlenden 13 Millionen werden ihr belastet.
Neubau statt Renovierung
Die Mérida-Bahn wurde erstmals 1960 eingeweiht. Bis vor kurzem war sie die höchste Seilbahn der Welt, die Personen beförderte – bis die Chinesen noch ein paar Meter höher hinauf bauten. Die Venezolaner sprechen deshalb jetzt von der «höchsten Zugseilbahn», denn bei der chinesischen Konkurrenz handelt es sich um eine Einseilumlaufbahn. Worüber sie nicht so gerne reden: Dass in Mérida 1991 eine Gondel abstürzte, weil ein Seil gerissen war, und dabei zwei Menschen starben. Der Unfall ist wohl auf Wartungsmängel zurückzuführen. Laut dem Garaventa-Mitarbeiter wurde dasselbe Seil 48 Jahre lang benutzt; die normale Lebensdauer beträgt 25 Jahre. 2008 wurde die Anlage von europäischen Fachleuten inspiziert. Sie empfahlen die sofortige Einstellung des Betriebs.
Chávez beauftragte daraufhin Garaventa mit der Renovierung. Doch 2011, als der Erdölpreis rekordverdächtige Höhen erreichte, sollte es auf einmal keine Renovierung mehr sein, sondern ein kompletter Neubau. Die ehemaligen Zwischenstationen, die einfachen Berghütten glichen, waren dem Revolutionsführer nicht mehr gut genug. Er verlangte Bahnhöfe nach modernen westlichen Standards. Auf der Zwischenstation auf 2436 Meter Höhe gibt es jetzt einen Konzertsaal und ein
Eine Bergstation wie ein Raumschiff
Bergsportmuseum, eine Station höher, auf 3452 Metern, eine Schokoladenfabrik. Und ganz oben eine Bergstation wie ein Raumschiff, das in den Anden gelandet ist. Die Schweizer Ingenieure sind es ausserdem gewohnt, ihre Seilbahnen von oben nach unten zu bauen. Chávez aber forderte, dass diesmal unten angefangen wird. Damit die Leute sehen, was hier entsteht. Diese Vorgabe hat die Bauarbeiten immens verteuert und verzögert. Die Neueröffnung war zunächst für 2013 geplant. Tatsächlich fand sie drei Jahre später statt. Die Gesamtkosten haben sich mehr als verdoppelt, auf 106 Millionen Euro.
Weil die Regierung nicht zahlte, hatte Garaventa im Januar bereits den Bau von drei Seilbahnen in Caracas gestoppt. Weiterhin aktiv ist aber eine Firma, welche das Unternehmen erst kürzlich in Venezuela gegründet hat, um zumindest die Versorgung der bereits bestehenden Seilbahnen mit Ersatzteilen sicherzustellen – auch jene auf den Pico Espejo.
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