Verbot für Pestizid verzögert sich – wegen umstrittener Gesetzeslücke
Der Bund wollte das Gift Rimi 101 sofort vom Markt nehmen. Nun bleibt sein Verkauf bis Ende Juni 2020 erlaubt – mit dem Segen der Umweltverbände.

Es hat nach einem schnellen Ende ausgesehen. Im Mai verfügte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ein Verkaufs- und Ausbringverbot von Rimi 101 ab 1. August 2019. Der Grund: Das Insektizid enthält Chlorpyrifos und damit einen problematischen Wirkstoff, der in den 1960er-Jahren eingeführt worden ist. Für Vögel, Insekten und Wassertiere ist er sehr giftig, und er wird auch in Zusammenhang mit Hirnschäden bei Kindern gebracht. Greenpeace und WWF, die ein Verbot seit Jahren gefordert hatten, sprachen von einem «längst überfälligen» Schritt.
Nun aber dürfen Händler Rimi 101 bis Ende Juni 2020 weiter verkaufen, Landwirte dürfen es bis dann für Futter- und Zuckerrüben sowie Mais brauchen. Das belegt eine Verfügung des BLW, die vom 13. November 2019 datiert ist und dieser Zeitung vorliegt. Was ist passiert?
Die Bewilligungsinhaberin von Rimi 101, die Firma Sintagro aus Langenthal BE, hatte im Juli Beschwerde gegen den Entscheid des BLW eingereicht. Vom ausgesprochenen Verbot zeigte sie sich «überrascht», das Produkt habe 20 bis 30 Jahre lang nie Anlass zu Beanstandungen gegeben. Mit dem Entscheid vom 24. September sprach das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu. Damit war die Voraussetzung geschaffen, dass Sintagro Rimi 101 bis zum Abschluss des juristischen Verfahrens weiter verkaufen kann – mit Blick auf einen allfälligen Weiterzug ans Bundesgericht also möglicherweise sehr lange.
Gesetzeslücke schliessen
Die Umweltverbände hätten sich darum gezwungen gesehen, einen Kompromiss einzugehen, sagt Eva Wyss, Landwirtschaftsexpertin beim WWF Schweiz. Und dieser sieht so aus: Die Umweltverbände akzeptieren, dass es eine Ausverkaufs- und Aufbrauchfrist gibt, haben aber nun die Gewähr, dass diese Frist sicher Ende Juni 2020 abläuft. «Heute wäre uns natürlich lieber», sagt Wyss. Doch der skizzierte Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts stehe dem entgegen.
Auf diesen Punkt weist auch die Juristin Cordelia Bähr hin, die auf Umweltrecht spezialisiert ist und beim vorliegenden Fall Greenpeace vertritt: «Um solche Fälle zu verhindern, braucht es auf Gesetzesebene eine klare Grundlage, die es den Behörden ermöglicht, solchen Entscheiden wirksam die aufschiebende Wirkung zu entziehen.»
Zu einem ähnlichen Schluss kommt die KPMG. Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen hat im Auftrag verschiedener Bundesämter, darunter des BLW, das Zulassungsverfahren für Pestizide untersucht und dabei gewichtige Mängel entdeckt, wie diese Zeitung letzte Woche berichtet hat. Zu den zehn Empfehlungen, welche die KPMG macht, gehören auch rechtliche Anpassungen, unter anderem eine «deutlich stärkere Verankerung der Möglichkeit», Pestizide bei neuen Risikoerkenntnissen kurzfristig vom Markt zu nehmen.
Finanzielle Einbussen
Der KPMG-Bericht hat im Parlament den Ruf nach einer Reform des Zulassungsverfahrens noch einmal verstärkt, namentlich bei GLP, SP und Grünen. Sollte die Politik entsprechende Gesetze verabschieden, würden der Agrochemiebranche finanzielle Einbussen erwachsen. Einzelne Inhaber von Bewilligungen für Pestizide müssten bei einem unverzüglichen Verbot Bestellungen rückerstatten und Restbestände verbrennen. Gemäss früheren Medienberichten würde Sintagro die Vernichtung des Restbestandes von 82 Tonnen Rimi 101 total 400'000 Franken kosten.
Was Sintagro zu dieser Aussicht sagt und warum sie in den Vergleich mit dem BLW und den Umweltverbänden eingewilligt hat, ist unklar. Für eine Stellungnahme war niemand erreichbar.
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