Verdammt zum Krisenmanager
Eigentlich wollte Barack Obama in diesen Tagen auf Stimmenfang gehen, doch Sandy macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Hurrikan könnte für den US-Präsidenten sowohl Fluch als auch Segen sein.

Eigentlich sollte Barack Obama heute nach Ohio kommen, dem Epizentrum des Präsidentschaftswahlkampfes in den USA. Geplant war ein Auftritt in der Autoindustrie-Hochburg Youngstown, wo Obama den Arbeitern kurz vor der Wahl noch einmal seine Rettungsaktion für General Motors ins Gedächtnis rufen wollte. Doch wegen des Hurrikans Sandy sieht er sich nun gezwungen, den Krisenmanager im Weissen Haus zu geben. Das Unwetter zwingt Obama zu einem Balanceakt zwischen Stimmenjagd und Präsidentenpflicht - Mahnung dürfte ihm das Katrina-Desaster seines Vorgängers George W. Bush sein.
Mehr als 1800 Menschen kamen ums Leben, als der Hurrikan Katrina im August 2005 die Golfküste der USA heimsuchte. Die Wucht des Sturms liess die schlecht gebauten Dämme um New Orleans brechen, die Südstaaten-Metropole versank in den Fluten. Zehntausende Menschen verbrachten Tage ohne Lebensmittel und frisches Wasser auf Dächern und in chaotisch organisierten Notunterkünften. Das miserable Krisenmanagement fiel auf Bush zurück, dessen Ansehen wegen der zögerlichen Reaktion auf die Katastrophe abstürzte.
Schnelle Reaktion Obamas
Der Umgang der Bush-Regierung mit Katrina sei «einer der gröbsten Schnitzer in der modernen Geschichte der US-Präsidenten» gewesen, schrieb das Online-Portal «Politico». Zugleich habe das Ereignis dazu geführt, dass «kein Präsident oder Kandidat mehr auf eine drohende Naturkatastrophe unterreagieren werden». Obama beeilte sich dann auch, am Sonntag bei der nationalen Katastrophenschutzbehörde FEMA vorbeizuschauen. Der Präsident versicherte, dass die Regierung und die Bundesstaaten darauf vorbereitet seien, «gross angelegt und schnell» auf das Unwetter zu reagieren.
In der Nacht zum Dienstag sollte Sandy den Vorhersagen zufolge zwischen den Bundesstaaten New Jersey und Delaware auf Land treffen. Meteorologen beunruhigte vor allem, dass sich der Hurrikan nach seinem tödlichen Zug durch die Karibik mit einer Kaltfront zu einem besonders schweren Unwetter vereinigen dürfte. Die US-Medien verpassten dem Sturm den Namen Frankenstorm, eine Anspielung auf das Frankenstein-Monster kurz vor dem Gruselfest Halloween.
Möglicherweise schlimmer als Irene
Der dicht besiedelten US-Ostküste drohen heftige Regen- und Schneefälle, Überschwemmungen sowie tagelange Stromausfälle. Wetterexperten befürchten, dass Sandy die zerstörerische Kraft des Hurrikans Irene in den Schatten stellen könnte, der den Nordosten der USA im vergangenen Jahr heimgesucht hatte. Damals waren 47 Menschen ums Leben gekommen und Schätzungen zufolge 15 Milliarden Dollar Schaden entstanden.
Sollte das schlimmste Szenario eintreten, würden kurz vor der Wahl am Dienstag kommender Woche die Führungsqualitäten Obamas auf den Prüfstand gestellt werden. Als «Commander-in-Chief» könne sich der Präsident dabei gegenüber Herausforderer Mitt Romney profilieren, räumte der einflussreiche republikanische Senator John McCain am Sonntag ein. «Das amerikanische Volk wird den Blick auf ihn richten.» Allerdings sei er sich nicht sicher, ob die Aufmerksamkeit auch zu einem Stimmenbonus für Obama führen werde.
Romney auf Wahlkampf in Ohio
Der Ausgang der Wahl steht auf Messers Schneide. Obamas Lager zeigte sich am Wochenende besorgt, dass dem Präsidenten durch Sandy womöglich ein Nachteil beim Stimmenfang in besonders umkämpften Bundesstaaten entstehen könnte. Romney sagte zwar Auftritte in Virginia ab, das in der Gefahrenzone des Unwetters liegt, machte aber stattdessen Wahlkampf in Ohio. Ausserdem könnte der Sturm in einigen Bundesstaaten die frühzeitige Stimmabgabe beeinträchtigen, bei der gewöhnlich vor allem die Demokraten ihre Anhänger mobilisieren.
Vor vier Jahren hatte Obama beim «early voting» klar vor dem damaligen republikanischen Kandidaten McCain gelegen. «Wir wollen natürlich ungehinderten Zugang zu den Wahllokalen, denn wir glauben, je mehr Leute teilnehmen, desto besser werden wir abschneiden», sagte Obamas Topberater David Axelrod am Sonntag im Nachrichtensender CNN.
AFP/mrs
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