Video aus Wuhan-Spital gepostet und verhaftet
Der Fall eines unerschrockenen Bürgers zeigt, wie China in der Coronavirus-Krise gegen unliebsame Wahrheiten vorgeht.
Fang Bin wollte sich sein eigenes Bild von der Coronavirus-Krise machen. Wie viele Chinesen vertraut er den offiziellen Informationen der Behörden nicht mehr. Sie wundern sich, warum es kaum Berichte aus den Spitälern von Wuhan gibt. Gerüchte von Patienten, denen die Ärzte nicht helfen können, weil das nötige Material fehlt, machen die Runde. Ebenso Aussagen von Patienten, die für Behandlungen viel Geld bezahlen mussten, obwohl sie laut der Regierung kostenlos sind.
«Auf der Suche nach der Wahrheit», wie Fang Bin selber sagt, marschiert er Ende Januar in das Krankenhaus Nummer 5 in Wuhan – und filmt die Situation nach eigenen Angaben heimlich: Überforderte Ärzte, mangelnde Zutritts- und Hygienevorschriften, Patienten liegen in den Gängen. Nirgendwo wird er aufgehalten.
Sein Video verbreitet sich schnell
Schliesslich gelangt er zu einem Krankenbett, in dem offensichtlich gerade jemand dem Virus erlag. In gerade mal fünf Minuten dokumentiert er den Abtransport von acht Opfern des Coronavirus. Ob das stimmt, lässt sich kaum überprüfen. Jedenfalls scheinen die Aussagen der Ärzte im Video dies zu bestätigen.
Fang Bin entscheidet sich, dieses Video zu veröffentlichen. Ein Schritt, der für ihn böse Folgen haben sollte. Innert weniger Stunden verbreitet es sich schnell, schafft es auch auf Twitter, einen in China verbotenen Nachrichtendienst.
Wie die chinesische Polizei mit privat veröffentlichten Informationen umgeht, zeigen Reaktionen auf chinesischen Social-Media-Plattformen. Der Überwachungsstaat greift voll durch. Die Urheber von Videos und Fotos mit kritischem Inhalt werden ausfindig gemacht und drangsaliert. Sie werden gezwungen, ihre Videos oder Informationen zu löschen. Auch wenn diese längst verbreitet wurden, versucht die Polizei, die Menschen einzuschüchtern.
So führt China zwei Kämpfe: jenen gegen das Virus und jenen gegen heikle Informationen. Mit aller Macht sollen Beweise für ein Versagen der Behörden zurückgehalten werden. Damit wächst wiederum das Misstrauen der Bevölkerung.
Stunden nach der Veröffentlichung des Videos brechen Polizisten in Schutzkleidung bei ihm ein.
Bei solch brisantem Material wie jenem von Fang Bin bleibt es nicht bei Einschüchterungsversuchen. Stunden nach der Veröffentlichung brechen Polizisten in Schutzkleidung bei ihm ein. Auch diesen Moment hält er mit der Kamera fest. Er wird abgeführt. Und verschwindet.
8 Personen seien bisher für das gleiche vermeintliche Vergehen verhaftet worden, schreibt die staatliche Zeitung «Global Times», landesweit seien es deren 40. Fang Bins Fall wird kaum Eingang in die Statistik gefunden haben, die Dunkelziffer ist gross. Der ebenfalls unter Zensur stehende chinesische Nachrichtendienst Wechat liess verlauten, Falschinformationen konsequent zu löschen und Profile temporär oder gar dauerhaft zu entfernen.

In den chinesischen sozialen Medien wird Fang Bin für seinen Mut als «Krieger von Wuhan» gefeiert. Nach seiner Verhaftung konnte man ihn tagelang nicht ausfindig machen. Einige behaupten, man habe ihn in Quarantäne gesteckt, weil er das Spital unbefugt betreten habe. Andere entgegnen, er werde von der Polizei verhört, weil er das Video veröffentlicht habe. Auch dies lässt sich kaum überprüfen.
Am 1. Februar meldet sich Fang Bin schliesslich mit einem Video zurück. Er sei aus der Haft entlassen worden. Er dankt allen, die seine Videos geteilt und publik gemacht haben. Die Haltung der Polizei habe sich plötzlich verändert. Seine Vermutung: Die Polizei realisierte, wie weitverbreitet dieses Video bereits war. Da wollte man nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf ihn lenken. Dies habe zu seiner Freilassung geführt, ist er überzeugt. Seinen Laptop hat die Polizei behalten.
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