Video: Chefanalyst von S&P erklärt sich
Die Ankündigung von Standard & Poors, die Kreditwürdigkeit praktisch aller Euroländer herabzustufen, sorgt für Kopfschütteln in den Euro-Ländern. Nun rechtfertigt sich der Chefanalyst der Ratingagentur.
Der Europa-Chefanalyst von Standard & Poor's, Moritz Krämer, verteidigte die Entscheidung der Ratingagentur: «Wir glauben, dass die bisherige Erfolglosigkeit die Krise wirklich effektiv und nachhaltig in den Griff zu bekommen, die Risiken einer realwirtschaftlichen Bremswirkung nach sich zieht», so Krämer (siehe Video).
Wenige Tage vor dem EU-Gipfel versah S&P in einem beispiellosen Schritt 15 Euro-Staaten mit einem negativen Ausblick. Das könnte binnen drei Monaten eine Herabstufung nach sich ziehen. Selbst Deutschland oder Frankreich laufen Gefahr, ihre Spitzennote zu verlieren. Die Folge könnten höhere Zinsen für neue Schulden sein.
Juncker: «Wie ein Keulenschlag»
Angesichts der ernsthaften Reformanstrengungen in vielen Euro-Staaten wirke die Drohung «wie ein Keulenschlag», sagte der Chef der Eurogruppe, Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, im Deutschlandfunk. Das Vorgehen der Agentur sei «masslos überzogen und auch ungerecht».
«Beunruhigt bin ich nicht, erstaunt schon», fügte Juncker hinzu. Dass die Agentur kurz vor dem EU-Gipfel aus heiterem Himmel Abstufungen ankündige, könne kein Zufall sein.
Die Regierungschefs in Berlin und Paris demonstrierten Gelassenheit: Sie nähmen die Ankündigung zur Kenntnis, erklärten Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy.
Ihre Vorschläge zur Reform der Währungsunion würden die haushalts- und wirtschaftspolitische Koordinierung der Eurozone stärken und so Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum fördern. «Wir werden am Donnerstag und Freitag die Entscheidungen treffen, die wir für die Euro-Zone für wichtig und unabdingbar halten», sagte Merkel.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy spricht aber dennoch von einer «ernsten Lage». Frankreich brauche jetzt «Einigkeit», sagte der Präsident nach Angaben von Teilnehmern bei einem Treffen mit Mitgliedern der konservativen Regierungspartei. Sarkozy hob demnach aber auch hervor, dass die Entscheidung der Ratingagentur vor den deutsch-französischen Ankündigungen zur Euro-Krise gefallen sei.
Unverständnis
Mehrere Regierungsvertreter reagierten aber mit harscher Kritik: «Die EU-Kommission sollte das Monopol der Rating-Agentur zerschlagen», sagte etwa der stellvertretende Vorsitzende der regierenden deutschen Union, Michael Meister, der Nachrichtenagentur Reuters.
CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs warf der US-Agentur «politisches Kalkül» vor. Er habe das Gefühl, die USA wollten von ihren eigenen Problemen ablenken, die grösser seien als die europäischen, sagte Fuchs der Tageszeitung «Die Welt». «Die Neuverschuldung der USA ist höher als die der gesamten Euro-Zone zusammen», sagte Fuchs weiter.
Der französische Aussenminister Alain Juppé sagte dem Radiosender RTL: «Es ist eine Drohung, aber es ist keine Entscheidung. Es versteht sich, dass sie ernst genommen werden muss.» Er zeigte sich ebenfalls verwundert über den Zeitpunkt der Ankündigung, von der die Regierung in Paris bereits am Montagmorgen erfahren habe.
Die US-Ratingagentur sei offenbar nicht auf dem Laufenden gewesen über das Treffen von Sarkozy mit Merkel. Dabei hatten beide einen Fünf-Punkte-Plan für mehr Haushaltsdisziplin in Europa vorgestellt, für den der EU-Vertrag geändert werden soll. Die Verhandlungen darüber sollen bereits im März abgeschlossen sein.
Zweifel an «Merkozy»
Der ehemalige SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hat derweil vor einem Zerfall Europas gewarnt. Es müsse alles getan werden, um eine demokratische Krise im europäischen Raum zu verhindern, denn ein Zerfall der Euro-Zone hätte eine «politische Renationalisierung» zur Folge, sagte Steinbrück am Dienstag auf dem SPD-Parteitag in Berlin.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) agiere in der aktuellen Krise nicht erfolgreich. Sie habe keinen Zugang zur «europäischen Story». Mit Blick auf Merkels Studium sagte Steinbrück: «Europa ist nicht Physik».
«Merkozy» wird in Frage gestellt
Andere Experten stellten die Fähigkeit der Eurozone infrage, die laxe Ausgabenpolitik einzelner Mitglieder künftig zu unterbinden. «Im Moment glauben die Märkte 'Merkozy' nach meiner Einschätzung noch nicht», sagte Guy LeBas vom Finanzdienstleiter Janney Montgomery Scott.
Falls der EU-Gipfel am Ende der Woche die nötigen Beschlüsse fasse, könnten die Vertragsänderungen «bis März unter Dach und Fach sein», sagte Juncker. Automatische Strafen für Defizitsünder, die Schonung von Banken und das vorgezogene Aufspannen des dauerhaften Rettungsschirms ESM seien «in hohem Masse vernünftig».
Die Märkte reagierten am Dienstagvormittag dennoch nervös. Der deutsche Leitindex sank zu Beginn um bis zu 1,6 Prozent, nachdem das Kursbarometer in den vergangenen sieben Handelstagen in der Spitze um fast 15 Prozent durchgestartet war.
dapd/sda/afp/mrs
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch