«Viele Markenhändler werden aus dem Markt gedrängt»
Die grossen Auto-Importeure dringen ins lukrative Service- und Reparaturgeschäft vor. Kleinere Garagisten haben das Nachsehen.

Über 300'000 neue Autos werden jedes Jahr in der Schweiz verkauft. Es ist ein lukratives Geschäft. Noch profitabler ist das Geschäft mit Service und Reparaturen. Doch mittlerweile mehren sich die Stimmen, die vor einer zunehmenden Marktdominanz weniger Akteure wie Amag und Emil Frey warnen.
So beschwerten sich im letzten Herbst mehrere Garagisten bei der Wettbewerbskommission (Weko) über Jaguar und andere Marken, weil diese den Werkstattbetreibern die langjährige Zusammenarbeit aufgekündigt hatten. «Es handelte sich in einzelnen Fällen um Kündigungen von Händler- und Werkstattverträgen, in anderen um die Kündigung des Werkstattvertrages», sagt Weko-Direktor Patrik Ducrey. Die Behörde habe Abklärungen vorgenommen, eine vertiefte Untersuchung startete sie aber nicht. Man habe keine Rechtsverstösse festgestellt.
Ein Dutzend Prozesse am Laufen
Wettbewerbsrechtler kritisieren die Zurückhaltung der Weko. «Viele Markenhändler und -werkstätten werden aus dem Markt gedrängt», sagt Patrick Krauskopf, Leiter des Zentrums für Wettbewerbsrecht der Hochschule ZHAW in Winterthur. Im Autogewerbe finde ein Konzentrationsprozess statt.
Um diesen zu bremsen, sollte die Weko Sanktionen ergreifen, sagt Krauskopf. Und er fügt hinzu: «Die Weko sollte in einem Pilotfall den Anspruch der Garagen auf Aufnahme ins Werkstattnetz eines Herstellers auch für die Schweiz klarstellen.» So wie Gerichte und Wettbewerbshüter dies in Deutschland und Österreich jetzt schon tun. Ducrey hält dagegen: Es gebe keine Pflicht mehr für die Hersteller, Garagisten in ihr Servicenetz aufzunehmen. Krauskopf, der Branchenorganisationen und Garagisten in Wettbewerbsfragen berät, hat eine andere Rechtsauffassung. Derzeit laufen rund ein Dutzend Prozesse vor Zivilgerichten, in denen sich Garagisten gegen die Kündigung ihrer Werkstattverträge durch Hersteller oder Importeure wehren, wie Recherchen dieser Zeitung ergaben.

Die Importeure wollten die ganze Wertschöpfungskette unter ihre Kontrolle bringen, sagt Roger Kunz, Präsident des Verbands freier Autohandel Schweiz. Ähnliches beobachtet Krauskopf: «Importeure wie Amag oder Emil Frey drängen in das nachgelagerte Service- und Reparaturgeschäft und werden mit eigenen Tochterfirmen immer dominanter.
Die Gefahr, dass sich der Wettbewerb bei Dienstleistungen und Preisen für Autobesitzer nachteilig entwickelt, ist nicht von der Hand zu weisen.» Amag hält den Vorwurf für ungerechtfertigt. Das Unternehmen sei schon lange im Endkundengeschäft tätig und lege im Rahmen des Bevölkerungswachstums zu, sagt ein Sprecher. Amag optimiere hier die Wertschöpfungskette, «dies aber im Sinne des ganzen Partnernetzes und für alle offiziellen Markenpartner». Emil Frey wollte sich nicht äussern.
Abklärung dauert mittlerweile vier Jahre
Gestritten wird nicht nur, ob sich die Platzhirsche im Servicegeschäft breit machen. Seit Jahren tobt die Auseinandersetzung auch darum, ob Amag und Emil Frey im Handel zu stark sind. Autohändler zeigten die Amag bereits 2014 bei der Weko an wegen des Verdachts der Diskriminierung.
Die Händler beklagten, Amag diskriminiere sie mit schlechteren Konditionen, verglichen mit den Amag-Garagen. Amag reagierte darauf umgehend: «Wir weisen jegliche Vorwürfe wegen vermeintlicher Ungleichbehandlung unserer Partner mit aller Deutlichkeit als haltlos zurück.»
Vier Jahre später steckt das Verfahren gegen Amag immer noch in der «Vorabklärung». Diese befinde sich “im Endstadium, ist aber noch nicht abgeschlossen», sagt Weko-Chef Ducrey. Amag «kooperiert voll» mit der Weko, beteuert ein Sprecher, die Vorwürfe der Händler seien «unbegründet». Ob die Weko am Ende gegen Amag eine vertiefte Untersuchung startet, ist offen.
«Wir haben keine Hinweise, wonach der Wettbewerb in der Schweiz nicht spielt.»
Kunz vom Verband freier Autohandel warnt davor, dass die Konzentration beim Handel mit jener im Servicegeschäft Hand in Hand gehe – zulasten des Kunden. «Je weniger von den Importeuren unabhängige Markengaragen es gibt, desto geringer ist der Wettbewerb im Verkauf, im Service- und Reparaturmarkt», argumentiert er. Das sieht Ducrey anders: «Wir haben keine Hinweise, wonach der Wettbewerb zwischen den einzelnen Marken in der Schweiz nicht spielt. Der Konsument hat die Wahl, wo er am besten bedient wird, und kann beim Kauf eines Neuwagens auch ins Ausland ausweichen», sagt der Weko-Chef.
Eben dieser wichtige Treiber des Wettbewerbs hat aber gelitten. «Der Anteil der Parallelimporte bei Neuwagen ist auf 5 Prozent zurückgegangen, weil wir von den Importeuren systematisch behindert werden», sagt Kunz. Bis 2012 sei der Parallelimport aus dem Ausland durch freie Händler und Privatpersonen doppelt so hoch gewesen. «Schreiten die zuständigen Behörden weiterhin nicht ein, geht der Parallelimport noch mehr zurück, und dann steigen die Preise für Neuwagen», fürchtet Kunz.
Amag interpretiert die Entwicklung genau andersherum. «Dass die Direktimporte so gesunken sind, zeigt doch, dass der Wettbewerb in der Schweiz funktioniert», sagt ein Sprecher. Als Gründe für den Rückgang der Parallelimporte sieht Amag eine «Preisharmonisierung seitens der Hersteller auf europäischem Niveau» und den schwächeren Franken.
Über 40 Prozent Marktanteil für die grossen zwei
Zweifel an der Intensität des Wettbewerbs sind aber erlaubt. Denn allein die beiden grossen Importeure Amag und Emil Frey kontrollieren inzwischen über Tochterfirmen, Beteiligungen und ihre Händlernetze zusammen mehr als 40 Prozent des Neuwagenverkaufs, wie Zahlen von Auto Schweiz zeigen.
Von Dominanz könne dennoch keine Rede sein, entgegnet Amag, denn keine Marke habe mehr als 11 Prozent Marktanteil in der Schweiz. Behinderungen sind indes real. Im Dezember zeigte der Verband freier Autohandel Hyundai bei der Weko an, weil der koreanische Hersteller «mit gezielten Aktionen Importe aus dem Ausland» torpediere. Die «Vorabklärung» gegen Hyundai läuft laut Weko noch.
In Deutschland laufen derweil Prozesse anderer Autohersteller, die Parallelimporte in die Schweiz unterbinden wollen, weil diese angeblich deutsches Markenrecht verletzen. Der lukrative Automarkt, er hat sich zu einem juristischen Schlachtfeld entwickelt, auf dem auch Anwaltskanzleien gut verdienen.
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