Vittel fürchtet um sein Wasser
Im französischen Dorf wird das Wasser knapp. Nestlé darf trotzdem weiter abpumpen.

Vittel – das Wasser gibt es sowohl bei Migros wie auch Coop zu kaufen. Es stammt aber nicht aus einer Schweizer Quelle, sondern aus dem gleichnamigen französischen Ort. Rund um das 5000-Seelen-Dorf pumpt der Nahrungsmittelgigant Nestlé Wasser ab. Das Land gehört dem Konzern seit den 1960er-Jahren. Das Wasser aus den kalten Quellen in Vittel gilt als besonders heilsam bei Stoffwechsel- und Lebererkrankungen und war bereits bei den alten Römern bekannt.
Doch jetzt herrscht in Vittel zunehmend Wasserknappheit: Jedes Jahr sinkt der Grundwasserspiegel um 30 Zentimeter. Das französische Bergbauamt nennt dafür zwei Gründe: Regen sickere hier nur langsam durch die Gesteinsschichten. Und es gebe «eine starke Konzentration von Entnahmen», insbesondere durch Unternehmen wie Nestlé und eine lokale Grosskäserei.
Höchstens sechs Flaschen
Die Bevölkerung wird angehalten, den Wasserkonsum zu reduzieren. Am Gemeindebrunnen steht ein Schild: «Bitte höchstens sechs Flaschen abfüllen». Nestlé, in der Region der grösste Steuerzahler, wird von Konsumentenschützern und Bevölkerung kritisiert, Wasser abzupumpen, während andere sparen müssten.
Ein Schäfer aus dem Dorf kritisiert gegenüber dem ZDF-Magazin «Frontal21»: «Die Einwohner unseres Dorfes leiden unter Wassermangel. Und zwar so extrem, dass der Bürgermeister gezwungen ist, im Sommer mit einem Tankwagen Wasser von ausserhalb holen zu lassen.»
Nestlé sagt dazu gegenüber dieser Zeitung, jeder Bewohner von Vittel könne unbegrenzt Mineralwasser aus dem Wasserhahn beziehen, Engpässe gebe es nicht. Besagter Brunnen sei öffentlich und das Schild am Brunnen sei vor mehreren Jahren angebracht worden, damit sich keine Schlangen bildeten. Dieser würde vor allem von Touristen, aber auch Anwohnern benutzt.
«Das ist so, als würde man Menschen, die am Atlantik wohnen, zwingen, in einem Pool zu baden mit Wasser aus dem Mittelmeer.»
Um zur Lösung des Wasserproblems beizutragen, habe Nestlé ein Programm zur Wassereinsparung initiiert, so eine Nestlé-Sprecherin. «Mit diesem haben wir unsere jährliche Entnahme bereits um ein Viertel, das heisst um 250'000 Kubikmeter pro Jahr verringern können.» Die 744'044 Kubikmeter, die man 2017 für die Marke Vittel Bonne Source entnahm, entspreche zudem lediglich 28 Prozent der Gesamtentnahme, also durch alle Nutzer, in diesem Bereich, so die Sprecherin.
Weiterer Streitpunkt ist der mögliche Bau einer Pipeline, um Wasser in den Ort zu bringen. «Jetzt ist geplant, dass die Bürger das Trinkwasser, das ihnen zu Füssen liegt, nicht mehr verwenden dürfen», sagt Christiane Lecoanet vom französischen Konsumentenschutz UFC-Que Choisir dem ZDF. Stattdessen sollten sie von weit her Wasser holen. Ein Bewohner sagt dem TV-Sender: «Das ist so, als würde man Menschen, die am Atlantik wohnen, zwingen, in einem Pool zu baden mit Wasser aus dem Mittelmeer. Das ist lächerlich.»
Bezahlen die Bürger für Nestlés Geschäft?
Anwohner fürchten aber auch, dass sie für die Kosten einer Pipeline aufkommen müssten. «Die Bürger werden diese Pipeline wohl selber bezahlen, rund 20 Millionen Euro, damit Nestlé weiteres Wasser exportieren kann», behauptete Odile Agrafeil, Mitglied der Umweltkommission des Departements Grand Est gegenüber dem ZDF. «Das ist doch Unsinn, denn das Wasser ist Gemeingut. Es gehört allen und es ist doch nicht normal, dass die Bürger mit ihren Steuern und den Wassergebühren in Zukunft Nestlé weiter ermöglichen, seinen Geschäften nachzugehen», so Agrafeil.
Nestlé sagt dazu: Unter der Führung der lokalen Wasserkommission (Commission Locale de l'Eau, CLE) beteilige sich Nestlé Waters an der Suche nach Lösungen. Die CLE prüfe zurzeit mehrere langfristige Szenarien, darunter eine Pipeline. Diese Lösungsszenarien würden voraussichtlich im Juli den Mitgliedern der CLE zur Abstimmung vorgelegt.
Wer die Kosten für solche Vorschläge tragen würde, sei bisher nicht erörtert worden. Welches Szenario Nestlé präferiert, ist unklar, die Sprecherin schreibt nur: «Wir werden uns für die Lösung einsetzen, die unserer Meinung nach einen nachhaltigen Schutz der Ressource Wasser gewährleistet.»
Ermittlung gegen Lokalpolitikerin
Das ZDF berichtet, die Staatsanwaltschaft ermittle derzeit gegen eine Lokalpolitikerin der Stadt Vittel. Der Vorwurf: Lobbyismus für Nestlé, sie habe die Interessen des Konzerns vertreten, nicht die der Bürger. Das ZDF fragte beim Bürgermeister nach einem Statement, dieser wollte sich nicht äussern.
Nestlé Waters sei die Untersuchung bekannt, teilt der Konzern mit, will aber keine Stellung dazu nehmen. «Den in den Medien erhobenen Vorwurf eines Interessenkonfliktes weisen wir entschieden zurück», schreibt die Sprecherin.
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