
Klimawandel und Biodiversitätskrise sind die beiden grossen Herausforderungen für unsere Erde. Das stellte auch Fritz Wassmann in seinem Gastkommentar «Stunde der Windkraft» vom 15. August nicht in Frage, um dann aber doch den Naturschutzverband Birdlife frontal anzugreifen. Wir würden jedes Windkraftprojekt bekämpfen, behauptet er. Das ist falsch: Birdlife ist momentan in nur fünf Rechtsfälle involviert, wo es darum geht, ob ein Standort für Windanlagen unseren geltenden Gesetzen entspricht oder nicht.
Wir können den Klimawandel kann nicht bekämpfen, indem wir Biodiversität zerstören. Die Bevölkerung hat das erkannt und schätzt gemäss dem Bundesamt für Statistik sowohl den Verlust der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten als auch den Anstieg der globalen Temperatur aufgrund des Klimawandels zu je 88 Prozent als sehr oder eher gefährlich für Mensch und Umwelt ein. Klima und Biodiversität gegeneinander auszuspielen, bringt keine Lösung.
Natürliche Fliessgewässer sind Lebensraum für Fische und andere Wassertiere, die kaltes Wasser brauchen. Moore und Wälder bilden grosse CO2-Speicher. Die Schweiz ist Schlusslicht in ganz Europa bezüglich Schutzgebietsflächen. Die letzten noch erhaltenen schutzwürdigen Flächen durch Nutzung der Wasserkraft oder der Windenergie zu beeinträchtigen, würde auch den erneuerbaren Energien schaden.
Doch vor wenigen Tagen schrieb die Berner Planungsregion Thun, dass ein Standort als Windenergiegebiet vorläufig in den regionalen Richtplan aufgenommen werde, «obwohl durch die Erschliessung eine Moorlandschaft von nationaler Bedeutung tangiert wird und obwohl Moorlandschaften nach der Bundesverfassung Ausschlussgebiete für Windanlagen sind.» Da setzt sich also eine staatliche Planungsgruppe wissentlich und willentlich über nationales Recht und den Schutz der Natur hinweg. Leider ist das kein Einzelfall.
Wo einmalige Naturwerte und bedrohte Arten gefährdet werden, sind Windkraftanlagen am falschen Ort.
Was lässt sich dagegen tun? Zuerst nichts, denn Richtpläne können nicht durch Gerichte überprüft werden. Auch in Windenergiegebieten, die dem Schutz der Natur widersprechen, planen nun also Promotoren Windpärke. Die Gemeinden passen in aufwändigen Verfahren ihre Nutzungsplanung an. Erst nach deren Verabschiedung besteht die Möglichkeit, den Standort endlich auf seine Rechtmässigkeit überprüfen zu lassen. Und wenn die Gerichte das Projekt stoppen müssen, um dem geltenden Recht Nachachtung zu verschaffen, dann sind natürlich die Naturschutzorganisationen schuld.
Windanlagen am richtigen Ort können einen Beitrag leisten zur erneuerbaren Stromproduktion. Wo einmalige Naturwerte und bedrohte Arten gefährdet werden, sind sie am falschen Ort. Der Natur und den Investoren ist am besten geholfen, wenn möglichst frühzeitig abgeklärt wird, ob sich ein Gebiet für Windanlagen eignet.
Es lohnt sich, auf jene erneuerbaren Energien zu setzen, die möglichst viel Strom produzieren und wenige Nebenwirkungen haben.
Dazu braucht es ausreichende Grundlagen. Also: Stimmen Windverhältnisse und Erschliessungsmöglichkeiten? Aber auch: Sind schutzwürdige Lebensräume betroffen, oder Tiere und Pflanzen, die sensibel auf Windanlagen reagieren? Es lohnt sich, die Konflikte mit dem Naturschutz frühzeitig fundiert abzuklären. Einen nicht geeigneten Standort in der Nutzungsplanung oder gar bei der Baubewilligung aufgeben zu müssen, verursacht nur unnötige Kosten.
In der Schweiz sind an vielen Standorten die Windgeschwindigkeiten vergleichsweise schwach. Dann ist es eben richtig, dort zu investieren, wo es sich wirklich lohnt. So entwickelt sich die Fotovoltaik rasant. Das Potenzial im Hinblick auf das Ziel Netto Null auf bestehenden, nichtschutzwürdigen Bauten und Anlagen ist riesig. Und um genügend Winterstrom zu produzieren, sind nach einer Studie des Bundesamtes für Energie winteroptimierte Fotovoltaik-Anlagen wichtig.
Es lohnt sich, auf jene erneuerbaren Energien zu setzen, die möglichst viel Strom produzieren und wenige Nebenwirkungen haben.
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Replik – Vogelschutz spricht nicht gegen Windkraft
Klimaschutz und der Schutz der Biodiversität dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden – auch nicht beim Ausbau der nachhaltigen Energien.