Von Bratkartoffeln und Trump-Kroketten
Die Kartoffel ist eines der wunderbarsten Lebensmittel. Ausser man treibt mit ihr kulinarisches Schindluder. Eine Anleitung.

In Zürich ist so ziemlich alles geschützt, was man sich vorstellen kann. Selbst beim Globus-Provisorium zwischen Hauptbahnhof und Central musste man lange fürchten, dass es sich definitiv unter den schützenden Rock von Mutter Denkmalpflege retten könnte. In den Entwurf der Behörde schaffte es das scheussliche Konstrukt ja bekanntlich.
Mit der Kartoffel darf man in dieser Stadt aber offenbar jedes erdenkliche Schindluder treiben, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Dabei sind wir der Knolle zu grösstem Dank verpflichtet und sollten sie entsprechend respektvoll behandeln. Keine Kulturpflanze hat unsere Küche so sehr bereichert wie das anfangs nur zur Zier gezüchtete und lange argwöhnisch beäugte Nachtschattengewächs. Wir Schweizer hätten – abgesehen von geschmolzenem Käse – kein Nationalgericht ohne sie. Und stellen Sie sich mal Zürcher Geschnetzeltes mit Nudeln oder Reis statt Rösti vor. Das ist dann wie ein Betty-Bossi-Fertigmenü für die Mikrowelle.
Weitere wunderbare Darreichungsformen der Kartoffel sind: Röstikroketten, Pommes risolées, Pommes soufflées, Pommes frites, Kartoffelgratin, Gschwellti, Kräutersalzkartoffeln und natürlich Bratkartoffeln. Womit wir zur Frage kommen, wie Bratkartoffeln richtig zuzubereiten sind. Ob man sie nun roh oder vorgekocht zum Rösten in die Pfanne gibt, geschält müssen sie sein. Dass diese blöden, halbierten Minikartoffeln mit Schale dran (und womöglich Rosmarin) schmecken, ist eine Erfindung fauler Köche. Der Gipfel der Absurdität ist es, diese Pseudobratkartoffeln als Convenience Food bereits angebraten für daheim zu verkaufen. Convenient, also bequem, ist das nur für den Anbieter, der ausser halbieren, mit Öl und Rosmarin vollklatschen nichts zu tun hat.
Wer es richtig machen will, schneidet die Kartoffeln nach dem Schälen in circa 1,5 Zentimeter dicke Scheiben und legt sie mit gebührendem Abstand zueinander in die zuvor mit Schmalz beglückte heisse Pfanne. Im Schmalz müssen sie brutzeln, bis die Unterseiten der Schreiben die gewünschte Farbe angenommen haben. Anschliessend gehts ans Wenden – und wieder gilt: jede Kartoffelscheibe einzeln. Natürlich ist das mühsam wie eine Materialkontrolle in der Rekruten- oder der Besuch der Zahnputztante in der Primarschule. Aber: Was für eine unheimliche Freude macht es, hernach die superknusprigen, nur mit etwas grobem Salz gewürzten Bratkartoffel zu essen!
Die Röstikrokette ist da schon ein weitaus pflegeleichtere Zeitgenossin, kommt sie doch meist aus dem Tiefkühlbeutel ins heisse Fett. Aber sie hat durchaus etwas. Ich gerate immer in einen regelrechten Erregungszustand, wenn ich auf einer Speisekarte das Wort «Röstikroketten» lese. Es ist eine Verbindung aus tatsächlicher Knusprigkeit und sentimentaler Erinnerung an die in den Skiferien als Beilage zum Fondue chinoise gereichten Röstikroketten, die mich so bewegt.
Groll aber regt sich in mir, wenn statt Röstikroketten gewöhnliche – besser formuliert: ordinäre – Kroketten serviert werden. Die sind nichts weiter als in verschiedene Formen gebrachter und anschliessend aussen mehr oder weniger knusprig gebackener Kartoffelstock. Geschmacklich irgendwo zwischen dem Futter eines alten Kissens und Kleister. Sollte der Wirt Ihrer Kantine solche Kroketten anstelle von Röstikroketten aufs Menü setzen, stellen Sie ihn zur Rede. Nur mit vereintem Druck lässt sich diese kulinarische Verirrung beseitigen. Wenn die Entsprechung der Röstikrokette unter den Menschen Brad Pitt ist, ist die ordinäre Krokette bestenfalls Donald Trump. Vergessen Sie das nie!
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