Die besten Desserts ZürichsVon der ersten Dessertbar der Stadt bis in die Quartierbeiz – eine Hommage ans Süsse
Der Juni ist ein veritabler Dessertmonat: Beeren und Rhabarber haben Saison. Kreationen aus sieben Restaurants, die mehr sind als ein Stück Kuchen.

Sie hat schon länger davon geträumt, sich selbstständig zu machen. Kommende Woche nun eröffnet Felicia Ludwig, Patissière des Jahres 2022, die erste Dessertbar Zürichs. Ludwig, gebürtige Rumänin, hat bis vor kurzem im Edelitaliener Ornellaia an der Bahnhofstrasse mit ihren Süssspeisen eine grosse Fangemeinde angezogen. Neu mietet sie sich in der Bar im Razzia im Seefeld ein.
Jeweils von Dienstag bis Samstag bestückt sie tagsüber die Vitrine mit ihrer «Fine-Art-Patisserie» – höchst komplexe Dessertgerichte, in denen sich meist Süsses und Salziges in einem Gericht vereinen.
Felicia Ludwigs Talent für Desserts hat uns dazu inspiriert, dem Schlussakkord einer Menüfolge, der in der Dessertbar für sich allein steht, eine Hommage zu widmen. Dafür haben wir sieben Süssspeisen degustiert, die mehr sind, als ein Stück Kuchen oder eine Kugel Glace. Gefunden haben wir die eigenständigen Kreationen nicht nur in Sternerestaurants, sondern auch in Quartierbeizen, Szenerestaurants und Institutionen in der Altstadt.
Desserts haben sich in den letzten Jahren ziemlich verändert. Der «Health-Trend» hat dafür gesorgt, dass die Leute unter einem «Dessert» mittlerweile ein Granolamüesli mit veganem Mangosorbet verstehen. Das ist okay, aber mit einer herzhaften Sünde hat das nicht mehr viel zu tun.
Die Zeit, als französische Restaurants den Ton angaben und man sich am Ende erschöpft vom einen Pre-Dessert zum nächsten hangeln musste, scheint allerdings selbst in Gourmetlokalen vorbei zu sein. André Siedl, Pastry Chef im Sternerestaurant Widder, erzählt, dass die Desserts des Abendmenüs von drei auf zwei reduziert wurden.
Klar ist: Desserts sind leichter geworden, und Zucker wird immer mehr durch die natürliche Süsse von Früchten ersetzt.
Die Gemüsefraktion in der Patissierszene der letzten Jahre hat zudem dafür gesorgt, das Gäste heute ohne Hemmungen ein Dessert mit Gurke bestellen. Ein Gemüsedessert gibt es derzeit in der Maison Manesse.
Es scheint, als sei die Stellung des Patissierberufs in den letzten Jahren gestärkt worden. Nicht nur Felicia Ludwig, auch andere Profis für Süsses traten in den letzten Jahren aus dem Schatten der Küchenchefs. Dazu beigetragen hat die Patissier-des-Jahres-Auszeichnung des Gourmetführers «Gault Millau». Seit 2018 würdigt sie Meisterinnen und Meister ihres Fachs.
Die Momentaufnahme der Zürcher Dessertkultur zeigt auch, dass kulinarische Einflüsse aus anderen Ländern die Dessertvielfalt vergrössert haben. Das beweist etwa das kunstvolle Gebäck Baklava im türkischen Lokal Gül, das frisch aus dem Ofen kommt. Dank einer riesigen Auswahl an Ristoranti bekommt man in Zürich auch viele süsse Klassiker der italienischen Küche serviert. Die Weinschaumcreme Zabaione wird im Conti sogar am Tisch zubereitet.
Fakt ist: Bei einem Mehrgänger ist das Dessert so wichtig wie die Vorspeise: «Der erste Gang setzt den Ton, der letzte bleibt in Erinnerung», sagt Benjamin Plsek, Küchenchef in der Maison Manesse. Wer die Arbeit einer Köchin oder eines Kochs begreifen will, kommt deshalb ohne das Finale nicht aus. Im besten Fall setzt das Dessert noch einen drauf. Es wäre schade, darauf zu verzichten.
Razzia Bar: Edel-Snickers & Strawberrylicious
Felicia Ludwig, Inhaberin der neuen Dessertbar im Razzia im Seefeld, hat die letzten Wochen damit zugebracht, ihr neues Menü zu entwickeln. Zu diesem gehört unter anderem die Kreation FL. Snickers, benannt nach ihren Initialen. Es handelt sich um einen Schoggiring, der mit einer Schoggimousse mit Fleur de Sel gefüllt ist. Eine Erdnusscreme und eine geniale Glace mit Kokos, Avocado und Banane sorgen für einen karibischen Touch. Wer salzig-schokoladige Noten respektive Snickers mag, wird das Gericht lieben. Ein weiteres Dessert namens Strawberrylicious erinnert optisch an die Zuckererdbeeren von der Chilbi. Allerdings kommt die Erdbeere auf diesem Teller weit aufwendiger als die Chilbischleckerei daher: Im Innern der rot gefärbten Hülle aus weisser Schokolade versteckt sich unter anderem ein Kern aus Erdbeergelee, eine Vanillecreme und eine Erdbeermousse. Serviert wird das zarte Dessert mit Kokosglace, karamelisierter weisser Schokolade und Erdbeer-Chantilly.
22.50 Fr. (FL. Snickers)/17.50 Fr. (Strawberrylicious), Dessertbar Felicia Ludwig in der Razzia Bar, Seefeldstr. 82, 8008 Zürich, razzia-zuerich.ch
Pistazie, Gurke und Co. in der Maison Manesse: Tiefgrüne Wiese

«Pistazie. Grüne Erdbeere. Gurke. Sauerklee»: Die Komponenten hören sich nicht alle nach Dessert an. Das durch und durch grüne, vegane Dessert von Küchenchef Benjamin Plsek trifft aber die Nachtischnoten überraschend präzis. Es ist frisch, dezent süss und hat verschiedene grüne Geschmacksnoten. Man fühlt sich beim Essen in eine tiefgrüne Wiese hineinversetzt. Plsek kreiert im Frühsommer, wenn die Früchte noch an den Bäumen reifen, gern solche grünen Kombinationen. Meist folgt im Menü als Abschluss noch etwas Süsseres, damit auch die klassischen Dessertfans zufrieden heimgehen. «Das kann auch nur ein Stück Bruchschokolade sein – ein Betthupferl», sagt Plsek.
19 Fr., Maison Manesse, Hopfenstr. 2, 8045 Zürich, maisonmanesse.ch
Öpfelringli in der Oepfelchammer: Schweizer Wohlfühlgericht

Stammgäste begrüssen Oepfelchammer-Geschäftsführer Thomas Trautweiler oftmals mit: «Wir wissen noch nicht, was wir essen werden. Aber zum Dessert kannst du die Höngger Öpfelringli bestellen!» Die typische Schweizer Nachspeise gehört zur Niederdorfinstitution. Äpfel aus Höngg werden in Scheiben geschnitten, in Bierteig getaucht, frittiert, in Zimtzucker gewendet und mit hausgemachter Vanilleglace und etwas «Schokoladenerde» serviert. Einen Löffel braucht es nur fürs Glace – die Ringli muss man einfach mit der Hand essen. Das ist kein kalorienarmes Dessert, schwer ist es trotzdem nicht. Grösseren Gruppen macht Trautweiler auch die anderen Süssspeisen schmackhaft, weil sonst die Küche überfordert wäre. Auch so richtet diese pro Jahr 1200 Portionen an.
16 Fr., Oepfelchammer, Rindermarkt 12, 8001 Zürich, oepfelchammer.ch
Widder-Restaurant: Variation mit Süssholz

Der Chef für Süsses im Gourmetrestaurant Widder, André Siedl, schwärmt von der aktuellen Saison: «Wir müssen nicht auf Eingemachtes zurückgreifen, alles kommt frisch auf den Teller.» Das aktuelle Dessert vom Abendmenü besteht aus Erdbeeren vom Hof Schlattgut in Herrliberg (Teil der Circle Group, zu der auch das Widder gehört). Sie kommen nicht nur pur, sondern auch in Form eines Sorbets auf den Teller. Gepimpt wird das Ganze durch die frische Säure eines Sauerampfersorbets und ein süchtig machendes Crumble aus Süssholz und Muscovado (Rohrohrucker). Süssholz kommt auch in den Chips mit Quinoa, sowie in einer Creme zum Einsatz. Mischt man die schnell schmelzenden Zutaten, entsteht eine Art Edelmüesli mit vielen natürlichen Süssstoffen.
Das Dessert ist nur im Rahmen des Menüs (ab vier Gängen) erhältlich. Widder-Restaurant, Widdergasse 6, 8001 Zürich, widderhotel.com
Zabaione im Conti: Schaumtraum

Das italienische Lokal beim Opernhaus ist bekannt für eine Dolci-Auswahl, die über das obligate Tiramisu hinausgeht. Am beliebtesten im Conti ist die Weinschaumcreme Zabaione. Zubereitet wird sie am Tisch in einer erwärmten Kupferpfanne. Dafür werden Eigelb und Zucker während mehrerer Minuten schaumig geschlagen. Am Schluss kommt Marsala, ein sizilianischer Likörwein dazu, der der Eigelbcreme eine wunderbare, vanilleartige Note verleiht. Conti-Geschäftsführer Guirino Amorelli erzählt, dass ihm sein Personal schon Arztzeugnisse gebracht habe, um das Dessert nicht zuzubereiten zu müssen. Tatsächlich geht das Schaumschlagen ziemlich in den Oberarm – vor allem, wenn es dreissigmal pro Tag zubereitet wird. Etwa so oft wird das Dessert bestellt. «Wenn der erste Gast gesehen hat, dass die Zabaione am Tisch zubereitet wird, wollen sie andere Gäste auch», so Amorelli. Derzeit wird die Zabaione mit Kaffee statt mit Marsala verfeinert; der Klassiker mit Likör lässt sich aber trotzdem bestellen.
15 Fr., Ristorante Conti, Dufourstr. 1, 8008 Zürich, bindella.ch/gastronomie/conti
Baklava im Gül: Ofenwarmer Frühlingsgruss

Wer sich im Restaurant eine eigene Backstube leistet, muss sie nutzen. Kein Wunder also, kommt im türkischen Restaurant Gül das Dessert frisch aus dem Ofen: Baklava, der süsse Gebäckklassiker aus dem Orient. 24 Schichten Filoteig bilden ein Backkunstwerk, das sich mit einer cremigen Earl-Grey-Glace auf Stickstoffbasis kongenial vereint. Am besten, man isst ein warmes Stück Baklava zusammen mit der Glace, so kommen warm und kalt zusammen. Dazu gibts eine buttrige Rhabarbercurd, sowie klein geschnittene, rohe Rhabarberstückchen für die Säure. «Die Dessertbeilagen, die das Baklava begleiten, passen wir jeweils der Saison an», sagt Gül-Chefin Elif Oskan. Mehr süsser Comfort Food geht nicht.
20 Fr., Gül Restoran, Tellstr. 22, 8004 Zürich, gül.ch
Pavlova im Alten Löwen: Weisse Leichtigkeit

Pavlova nennt Robert Burri, Chef der Quartierbeiz Zum Alten Löwen in Oberstrass, das beliebteste Dessert auf seiner Abendkarte. Was nicht ganz korrekt ist – es handelt sich nicht um eine Pavlova-Torte aus Schaumgebäck, sondern um eine hausgemachte Meringue. Das gereicht der Qualität des Nachtischs nicht zum Nachteil: Vor acht Jahren buk Burri die Pavlova erstmals; sie ist zum Dauerbrenner geworden. Mit dem Dessert geht es im Alten Löwen durch die Saison: Im Frühling wurde sie mit Rhabarber angerichtet, nun sind die ersten Beeren dran. Im Herbst folgen dann Zwetschgen, im Winter können es auch Quitten sein, die dem leichten Dessert die entscheidende Geschmacksnote geben. Dazu serviert Burri seine Glace, wahlweise Sauerrahm oder Vanille.
16 Fr., Zum Alten Löwen, Universitätstrasse 111, 8006 Zürich, altenloewen.ch
Claudia Schmid ist seit 2018 Redaktorin im Ressort Zürich Leben. Davor war sie zehn Jahre bei der «SonntagsZeitung». Sie schreibt über Gastronomie und Stadt-Trends und ist Restaurant-Kritikerin beim «Züritipp».
Mehr InfosEmil Bischofberger arbeitet seit 2006 für Tamedia, zuerst im Ressort Sport, heute im Ressort Zürich, wo er sich gesellschaftlichen Themen widmet.
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