Brigitte Helbling und ihr neues StückVon ihr können Prinzessinnen lernen
Sie ist die Frau hinter dem Vorhang. Und bringt andere Frauen ins Licht. Auch mit der Hilfe von Bugs Bunny.

«Sie sind so lieb zu mir.» Die Schauspielerinnen Fabienne Hadorn und Barbara Terpoorten käsperlen auf der Probe um Brigitte Helbling herum, für die beiden hat sie ein Stück geschrieben. Der Titel: «Der neue Prinzenspiegel oder Fanny und Isabella sind tot». Warum sie tot sind, hat irgendwie mit einem roten Spatz zu tun, davon später. Jedenfalls: Es ist das lebendigste Theater, das es gibt, auch voller Liebe zu den Figuren. Premiere ist am 21. Mai im Theater Winkelwiese.
It’s Showtime
Es gibt so viele Männerpaare auf der Bühne. Wladimir und Estragon bei Beckett. Rosencrantz und Guildenstern bei Tom Stoppard, die übrigens auch alle dead sind. Frauenrollen im Duo sind aber selten. «Bei der Arbeit gehen wir immer von den Schauspielern aus», sagt Brigitte Helbling, das gehöre zur Arbeitsweise der freien Truppe Mass & Fieber, die sie mit ihrem Mann Niklaus Helbling und anderen Theaterleuten Ende der Neunzigerjahre gegründet hat. Also: It’s Showtime, Fanny und Isabella. Die Bühne gehört euch.
Wer Hadorn und Terpoorten mal begegnet ist, weiss, warum. Sie verbindet eine ganz eigene Chemie. Nun haben die beiden im «Prinzenspiegel» ihren Auftritt, eben als Fanny Fux und Isabella Tunner. Sie reden auf der Bühne über ihre Erfahrungen solo. Über ihre Arbeit zu zweit, als Coachs in Sachen strategischer Auftrittskompetenz. Und wollen nicht mehr auseinandergehen: «Ne me quitte pas».
«Man wachte am Morgen auf und wusste nicht, ob man lebendig ist oder tot.»
Die Arbeit ist parallel zur Ausstellung «Frauen im Laufgitter» entstanden, die die Truppe Mass & Fieber für das Museum Strauhof konzipierte. «Eigentlich wollte ich nicht über die Pandemie schreiben», sagt Brigitte Helbling, das Thema habe sich dann quasi eingeschlichen. So geht es nicht nur um die «Demokratie-Sache» mit Trump und Co., über Machterhalt und Machtverlust. Sondern auch um die Zeit der Stille. «Man wachte am Morgen auf und wusste nicht, ob man lebendig ist oder schon tot.»
Es ist auch ein Stück über Frauenfreundschaften. Darüber, was passiert, wenn Frauen, die schon älter sind, sich treffen. «Ich vermisse meine Freundinnen», sagt Brigitte Helbling, die in Hamburg lebt und während des Lockdown sie nicht sehen konnte. «Es war ein seltsames Jahr.» Und darüber wollte sie auch schreiben. Nicht über das Private. «Ich will schauen, was ist. Und Geschichten erzählen.»
Wenn Männer implodieren
Besondere Zeiten bringen besondere Stücke hervor. «Prinzenspiegel», übrigens «auch für Prinzessinnen geeignet», ist ganz besonders. Brigitte Helbling, Jahrgang 1960, ist in New Jersey an der amerikanischen Ostküste und in Zürich aufgewachsen, sie ist Übersetzerin, Lektorin, Stückeschreiberin, ausserdem eine ausgezeichnete Buchautorin – für ihr Romanmanuskript «Zurigo Amore» hat sie den Hamburger Förderpreis für Literatur bekommen. Viele dieser Erfahrungen spielen im «Prinzenspiegel» eine Rolle. Mit im Spiel ist neben Machiavelli und Hannah Arendt auch Bugs Bunny. «Ich habe diesen Comic als Kind geliebt.»
Trash ist für smarte Leute. In den Szenen kann man sich verlieren, bis der Kopf schwimmt. Man erfährt, welche Uhr Angela Merkel trägt (eine Boccia Titanium für 89 Euro). Wie viel Geld man für die Spionagedienste im Schweizer Nachrichtendienst bekommt (9865 Franken, steht alles in der NZZ). Ganz spielerisch führt Brigitta Helbling durch das Gebiet der Vorvergangenheit und Gegenwart. Man sieht, wie Trump-Männer implodieren. Und Frauen, die hinter dem Vorhang stehen, die Welt weiterbewegen können.
Zur Sonne, zum Wiedersehen
Wie ist es mit dem roten Spatz? Brigitte Helbling zeigt vor der Probe, wo er wohnt, nämlich in einem Nebenzimmer. Es ist ein Riesenvogel von Requisit, trägt ein farbiges Kleid, und im Schnabel hat eine ganze Sonne Platz. Wer jetzt gemeint hat, dieser Red Sparrow habe etwas mit Jennifer Lawrence aus dem gleichnamigen Film zu tun, hat falsch gemeint. Er ist eine Figur aus Charles Bukowskis letztem Roman «Pulp», der vom Ende einer Zeit spricht. Das Stück selber endet mit einem Neuanfang: «We’ll meet again». Sehr smart.
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